LANGUAGE

LANGUAGE

Meine Zeit in einer Höhle in Kin und das Leben nach dem Krieg

“Meine Zeit in einer Höhle in Kin und das Leben nach dem Krieg“
Fumiko Iha (86)
(Geburtsort: Gushikami-son, Okinawa)

Schon bevor der Krieg begann, beschlagnahmte das Militär unsere Schule, so dass kein Unterricht mehr stattfinden konnte. Auch unser großes Haus wurde auf Befehl hin von den Soldaten besetzt und unsere Familie musste in einem einzigen Zimmer im Haus leben.

In der 4. und 5. Klasse der Volksschule übten wir, bei Sirenenalarm in die Luftschutzbunker zu fliehen und erst bei Entwarnung wieder rauszukommen.

Die Soldaten gingen umher und sammelten nach Beschuss durch die US-Marine leere Hülsen auf, aber auch zu uns kamen sie und holten sich Topfdeckel, Nähmaschinen und viele andere Dinge, weil wohl daraus Flugzeuge gefertigt würden.

Bei Fliegeralarm suchten wir in einer natürlichen Höhle Zuflucht. Meine Großmutter hatte uns dazu ein Lied beigebracht, das ging etwa so: „Hör ich den Fliegeralarm, dann hör’ ich auf meine Eltern, weil wir noch klein sind. Lass uns nicht eilen, nicht lärmen, aber gelassen in der Luftschutzhöhle bleiben.“

Den Leuten in unserer Ortschaft wurde von Militär gesagt, dass wir in die Höhle im Dorf Kin zu gehen haben. Es gab auch ein paar, die sich nicht daran gehalten haben und in Shimajiri im Südteil blieben, aber wir sind mit einem zweijährigen Baby auf dem Rücken und einem fast blinden Vater im Schlepptau durch den Kugelhagel zur Höhle aufgebrochen.

Auf unserem Weg zur Höhle in Kin haben wir unterwegs Baumfrüchte oder auch Rohrzucker gepflückt und gegessen. An der Höhle angekommen, gingen wir hinein und während sie zuerst sehr breit ist, wird sie zunehmend schmaler, bis man irgendwann kriechen muss. Danach wird sie aber wieder sehr breit und dort trafen wir auf hunderte andere Geflohene. In der Höhle ist es stockfinster, daher ging der erste jeweils mit einer Kerze voraus und ich und die anderen folgten ihm.

Ich werde nie vergessen, wie unter den Geflohenen auch japanische Soldaten waren. Einer von ihnen sah, wie wir Rohrzucker aßen und bat uns, ihm etwas davon abzugeben. Daraufhin sagte mein blinder Vater: „Die Aufgabe von Soldaten ist es, uns zu schützen – warum seid ihr hier mit uns im Versteck?“. Und ich erinnere mich, wie der Soldat antwortete: „Dieser Krieg ist schon dermaßen eingefahren, dass wir nichts mehr unternehmen können.“

Letztendlich kamen die US-Soldaten auch vor unsere Höhle und riefen uns zu, dass wir uns ergeben sollen: „Come on, come on, dete-koi, dete-koi“. Doch nicht alle reagierten darauf. Also warfen sie ein Explosivgeschoss in die Höhle, während wir noch drin waren.

Wir waren auch noch in der Höhle und mir wurde so schwindlig von dem Gewehrrauch, dass ich nicht mehr laufen konnte. Eine älterer Mann in der Nähe sagte dann: „Es ist in Ordnung, wenn wir gefangen genommen werden, wir sind Zivilisten!“. Das hat alle wieder beruhigt.
Und wie ich dort so saß, kamen die amerikanischen Soldaten und gaben uns Schokolade. Wir nahmen sie zuerst nicht an, da uns beigebracht worden war, dass alles was einem die Amerikaner anbieten, vergiftet sei. Aber als die amerikanischen Soldaten die Schokolade dann selber aßen und uns zeigten, dass die diese nicht vergiftet ist, waren wir erleichtert und griffen zu.

(Nach dem Krieg)
Das Leben nach dem Krieg, zurück in unserem Dorf, war extrem schwierig.
Unser Haus war abgebrannt, also wohnten wir in einem Zelt auf dem verbrannten Boden. Unser Essen fanden wir draußen in der Natur, welche von Leichen übersät war. Wir gingen um die Leichen herum und suchten nach Kartoffeln.

Dort, wo die Blätter der Kartoffelstauden besonders grün und dicht waren, lagen Leichen darunter. Wir mieden diese Stellen und holten uns nur die seitlichen Staudenblätter. Diese verarbeiteten wir zu Essen weiter, was aber alleine nicht ausreichte, so dass wir auch Samen der Sagopalme und ähnliches aßen, um gerade so über die Runden zu kommen.

Wir hatten auch keine Kochutensilien und so weiter, alltägliche Gegenstände. Wir benutzten also zum Beispiel die Helme der toten Soldaten als Kochtopf. Dazu mussten wir diese erst von der Schädeldecke der Toten lösen. Der Krieg war zwar vorbei, aber deswegen wurde es noch lange nicht einfacher, zu überleben.
 
Kurz nachdem wir in Gefangenschaft geraten waren, ging ich zu einer abgebrannten Schweinehütte und holte das Fleisch der verbrannten Schweine, um es zu Essen zu verwerten. Erst als wir es aßen, bemerkten wir einen menschlichen Finger darunter. Es war kein Schweinefleisch. Da der Kopf gefehlt hatte, konnten wir den menschlichen Leichnam nicht mehr von dem der Schweine unterscheiden.

Meine kleine Schwester litt dann an Mangelernährung. Meine Mutter hatte keine Milch mehr und wir hatten auch nichts zu essen. Wir wussten uns nicht anders zu helfen und brühten in einer Dose einen wilden Frosch auf, den wir auf dem Reisfeld gefunden hatten. Das Gebräu gaben wir ihr dann zu trinken.

Letztlich ist meine kleine Schwester an Unterernährung gestorben. Wir haben ihre Überreste zwar beerdigt, aber an der Stelle dieses Grabes entstand dann der US-Flughafen von Kin. Somit konnten wir auch nicht mehr einfach ihre Überreste rausholen. Wir fanden aber einen Soldaten mit japanischer Abstammung und gaben ihm etwas Geld, damit er uns auf das Gelände ließ und wir sie rausholen konnten. Die Gebeine meiner kleinen Schwester steckte ich in eine Dose und trug sie immer bei mir.

(Rückblickend auf den Krieg)
Der Krieg ist so grausam, dass ich nicht die passenden Worte dafür finde. Der Krieg ist brutal und kennt keine Rücksicht. Man kann das im Fernsehen und in den Nachrichten gar nicht in seinem vollen Ausmaß wiedergeben. Ich möchte meinen Kindern und Enkeln diese Grausamkeit ersparen.