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Meine Kriegserfahrung in Kanegusuku auf der Insel Kumejima

“Meine Kriegserfahrung in Kanegusuku auf der Insel Kumejima”
Shinkō Shinjō (85)
(Geburtsort: Kanegusuku, Kumejima-son, Okinawa)

Beim ersten Luftangriff auf der Insel Kumejima war ich gerade in der Schule. Wir hörten den Flugzeuglärm und dachten, es seien japanische Flieger, die sich da näherten und wir jubelten lautstark. Wir erschraken nicht schlecht, als sie plötzlich zu schießen begannen. Wir rannten alle aus dem Klassenzimmer, raus auf den Hof, welcher inzwischen aussah, als sei er von einem Schwarm Wespen zerstochen worden.

Am Landungssteg vor dem Gemeindehaus lagen viele japanische Schiffe vor Anker. Als diese Schiffe angegriffen wurden, gerieten auch die Siedlungen in dieser Gegend in Mitleidenschaft.
Etwa 90% der zuletzt einberufenen Soldaten waren ältere Schulkameraden. Sie wollten auf diesen Schiffen die Insel verlassen. Doch noch bevor sie an Bord gingen, wurden die Schiffe aus der Luft angegriffen und sanken. Das war dort, wo heute die Oberschule Kumejima liegt, an der Landungsbrücke davor.

Unser Ort war damals in mehrere Sektoren aufgeteilt, und je nach zugehörigem Sektor wurde einem ein anderer Luftschutzbunker zugeteilt. Also, man sprach zwar von Bunkern, aber unter anderem wurden auch Grabkammern geöffnet und geräumt, so dass man sich darin in Sicherheit bringen konnte. Und hier bei uns gibt es eine der größten natürlichen Höhlen, wo 40 bis 50 Leute Zuflucht finden konnten. Dort gab es auch eine Grabstätte und die uralten Gebeine wurden einfach alle gesammelt in eine Grube gesteckt und dann Erde darüber verteilt. So fand bestimmt etwa das halbe Dorf Platz in der Höhle.

In der Nacht gingen alle zurück in ihre Häuser und kochten Kartoffeln für den nächsten Tag vor. Wir ernährten uns fast ausschließlich von Kartoffeln.

Zu der Zeit kamen Transportschiffe an Insel Kumejima vorbei, die auf der Durchfahrt auf dem Weg in den Süden waren. Sie transportierten Reis und andere Nahrungsmittel. Als die Schiffe noch vor der Abfahrt angegriffen wurden, erfuhren einige in der Ortschaft von den Matrosen, dass Reis auf den gesunkenen Schiffen sei. Diesen haben wir dann geholt, gewaschen und gegessen. Die Nahrungsmittel im Inneren des Schiffes waren alle mit Schweröl verschmutzt und stanken fürchterlich nach Treibstoff. Trotzdem aßen wir sie, da wir sonst gehungert hätten. Wir teilten den Reis unter allen Anwesenden auf.

Die Matrosen der Flotte davor taten mir sehr leid, da ich mich noch mit einigen von ihnen unterhalten hatte. Die Matrosen der ersten Flotte wuschen nach dem Anlegen ihre Sachen an dem Gemeinschaftsbrunnen neben unserem Haus. Ich habe Wasser geschöpft und waschen geholfen. Als ich nach Hause ging, nahmen sie mich zu ihrem Schiff mit. Meine Haare waren damals ziemlich lange, also haben sie mir die Soldaten geschnitten. Auf dem Rückweg vom Schiff sagten mir ein paar von ihnen: „Auch wenn wir jetzt heute loslegen, können wir nie wissen, wie weit wir noch kommen werden und wann wir versenkt werden.“ Sie legten wohl gegen fünf Uhr ab. Ich stieg zum Ackerfeld auf eine Anhöhe, um sie dabei beobachten zu können. Als ich oben angelangt war, waren bereits alle Schiffe zerstört.

(Das Dorf zu jener Zeit)
Damals durfte man auf keinen Dialekt sprechen, da man sonst direkt von den Älteren geschlafen wurde und einen Zettel an den Kopf angeheftet bekam, zur Strafe. Diesen „Dialekt-Zettel“ musste man dann solange tragen, bis der nächste aus Versehen Dialekt gesprochen hatte.
Damals gingen auch viele von hier weg, um auf den Hauptinseln Japans Arbeit zu finden. Sie wurden aber nicht gleichwertig behandelt, so dass viele von ihnen ihre Herkunft verbargen. Damals wurden die Menschen aus Okinawa noch stark diskriminiert und hatten es nicht leicht.

(Krieg auf der Insel Kumejima)
Ehrlich gesagt, waren die US-Soldaten weniger furchterregend als die japanischen Soldaten.
Als die US-Soldaten an Land kamen, sollte Herr Meiyū Nakandakari ihnen geographische Orientierung geben. Er soll zu ihnen gesagt haben, dass er alleine die Verantwortung übernehme und dass sie uns bitte nicht erschießen sollen. Er hat sich so zur Verfügung gestellt und mit den Amerikanern verhandelt.
Alle waren von seiner Aussage beruhigt. Aber die japanischen Soldaten haben ihn deshalb als Spion verdächtigt und einfach erschossen.
Auf der Insel Kumejima sind wohl mehr Leute von japanischen Soldaten ermordet worden, als von den Amerikanern.
Die ersten, die von den Amerikanern in Gefangenschaft genommen wurden, sind noch erschossen worden. Allerdings erst nachdem die Amerikaner sie wieder freigelassen haben und diese uns allen versichert haben, dass einem die Amerikaner nichts Böses antun. Die japanischen Soldaten haben diese Leute alle unter dem Vorwurf der Spionage erschossen.
Das japanische Militär war gefährlich. Sie hatten sich alle in den Bergen versteckt und kommandierten uns herum, dass wir Reis und dieses und jenes herbeischaffen sollten. Hat sich ein Dorfvorstand geweigert, wurde ihm übel zugesetzt.

Auf dem Schulgelände hatten die Amerikaner inzwischen eine Basis und einen Flughafen errichtet. Die US-Soldaten baten uns dann, ihre Kleidung zu waschen. „Wash, wash“, sagten sie. Das war, bevor sie die japanischen Soldaten aus den Bergen gejagt hatten. Meine Mutter hat dann hin und wieder für sie gewaschen, da neben unserem Haus ein Brunnen war.

Einige Tage später erzählten uns die US-Soldaten, dass es nicht mehr lange gedauert hätte, bis die gefürchtete Kayama-Kompanie auch uns Zivilisten hingerichtet hätte, wenn sie die Kompanie nicht aus den Bergen gejagt und stillgelegt hätte. Die Amerikaner wussten also jederzeit darüber Bescheid, was das japanische Militär wo auf der Insel plant.

Auf unserer Insel sind auch ein paar japanische Flieger notgelandet, weil sie keinen Triebstoff mehr hatten, bestimmt sieben oder acht Stück. Beim Eef Beach stand ein komplett unbeschädigter Bomber auf einem Acker. Und da wo heute der Flughafen Kumejima liegt waren wohl auch vier oder fünf Maschinen.
Auch in dem Bereich vor der heutigen Oberschule ist ein Flieger notgelandet, allerdings war das ein Amphibienflugzeug, welches dann zum Stand gerollt ist und dort aufgetankt hat.

(Als ich hörte, dass der Krieg vorbei ist)
Ich war wahnsinnig erleichtert. Erst als der Krieg vorüber war, kamen alle, die sich in den Bergen versteckt hatten, wieder hinunter in die Dörfer. Unsere Insel ist nicht allzu groß und man hätte sich nicht ewig in Sicherheit verstecken können.
Ich will nie wieder Krieg.