Krieg auf Kume-jima – Erfahrungen eines Jugendlichen
“Krieg auf Kume-jima – Erfahrungen eines Jugendlichen”
Shōsei Yamashiro (79)
(Geburtsort: Nakazato-son, Kume-jima, Okinawa)
Die Soldaten damals sprachen zwar immer davon, dass sie „auf jeden Fall gewinnen“ würden, aber dennoch ließen sie auf unserem Grundstück einen Luftschutzbunker ausheben.
Wenn dann ein Würdenträger im Militär gesagt hätte: „Wir können den Krieg nicht mehr gewinnen, wir ergeben uns“, dann wäre wohl auch keine Atombombe abgeworfen worden.
Und hätte der Krieg auch nur einen Tag früher geendet, so hätten wohl im Süden Okinawas nicht so viele Menschen noch ihr Leben verloren.
Ich war damals in der ersten Klasse der Grundschule, also etwa sechs oder sieben Jahre alt. Wir haben in der Schule eigentlich nur Kriegsübungen gemacht und so gut wie nichts gelernt. Wir mussten üben, wie wir uns in Sicherheit bringen, wenn die Alarmsirenen für die Luftangriffe losgehen. Oder wir haben Strohpuppen gebastelt und daran mit Bambuslanzen geübt.
Bei dem Luftangriff am 10. Oktober 1944 waren besonders viele Flugzeuge am Himmel. Als diese noch sehr hoch am Himmel standen, hielten wir sie für unsere eigenen Flugzeuge und haben sie vom Sportplatz aus angefeuert, wild umherspringend. Erst als die Flugzeuge tiefer flogen, erkannten wir den Stern darauf und wir haben uns wahnsinnig erschrocken, weil junge Burschen riefen: „Das ist der Feind!“.
Vielleicht wussten die Amerikaner, dass es sich bei uns um eine Schule handelte, jedenfalls haben sie nichts abgeworfen. Kein einziger Schüler wurde getroffen oder getötet. So oder so, mit dem Beginn der Luftangriffe an diesem Tag hat für mich persönlich der Krieg erst so richtig angefangen.
Es gab den Fall, dass der Abfahrtstag eines Schiffs wegen irgendeiner Information auf den nächsten Tag verschoben wurde und dann gleich an demselben Abend von der gegnerischen Seite versenkt worden war.
Mit dem Schiff sind viele Bewohner der Insel Kume-jima im Meer ertrunken, darunter auch viele Junge, so dass fast kein junger Mensch mehr auf der Insel war. Auch mein älterer Bruder und die beiden Nachbarjungs waren vom Militär einberufen worden und auf dem Schiff gewesen.
Die Angriffe auf der Insel Kume-jima waren flächendeckend, so dass quasi alle Ortschaften getroffen wurden. Am schlimmsten hat es anscheinend die Ortschaften an der Küste getroffen.
An einem Abend gab es die Durchsage: „Keine von außen sichtbare Beleuchtung! Kein Feuer!“, damit die amerikanischen Flugzeuge uns nicht erkennen. Man rechnete auch bei Nacht mit Luftangriffen. Einmal sahen ein paar Mädels von draußen unser Raumlicht und ermahnten uns, dass unser Haus auf die Weise sichtbar sei. Dann mussten wir ein schwarzes Tuch über die Lampe legen.
Wir haben auch den kleinen Kindern beigebracht, wie sie am besten fliehen. Wir hatten dafür sogar ein Lied, das ging in etwa so: „Wenn du die Flugzeuge hörst, dann denk daran, du bist noch klein, also höre auf die Großen, tu was sie sagen, versuch nicht zu rennen, bleibe ruhig und komm mit nach draußen in den Luftschutzbunker“.
Das Leben war damals unglaublich schwierig. Hätten wir nicht mindestens die Süßkartoffeln gehabt, wäre es wohl noch schlimmer gekommen. Wir haben uns fast ausschließlich davon ernährt. Wenn wir Suppe gekocht haben, dann haben wir ein einheimisches Kraut namens Kazura als Gemüse benutzt. Wir haben verschiedenes Gewächs, das in der Natur so wuchs, zum Beispiel Nigana, eine Art Margerite, und Beifuß und so weiter genutzt. Die Leute haben damals ganz viel damit experimentiert, was man wie essen kann.
In den Bergen haben wir eine kleine Hütte gebaut und auf dem Boden, da wir ja keine Matratzen hatten, einfach Kazura-Kraut verteilt und darauf geschlafen. Wir hatten auch keine Möglichkeit zu baden und hatten daher viele Läuse, es war ziemlich eklig.
(Nach dem Krieg)
Als die Amerikaner in Japan einmarschierten, sahen wir, dass sie gar nicht so Barbaren sind, wie wir immer dachten. Sie haben den Kindern Süßigkeiten gegeben und sogar selber davon gegessen, um zu zeigen, dass sie nicht vergiftet sind. Sie müssen soviel Mitleid mit uns gehabt haben.
Im Krieg auf Kume-jima sind insgesamt etwa zehn Menschen durch feindliche Kugeln ums Leben gekommen. Ich habe aber gehört, dass Tadashi Kayama (Feldwebel der kaiserlichen Kriegsmarine) etwa 20 Einwohner eigenhändig ermordet hat. Er soll Erwachsene und Kinder in ein Reetdachhaus gesperrt und dieses dann angezündet haben, als alle noch am Leben waren ...
Es gab eine Person namens Meiyū Nakandakari, der kam zu den Leuten und erzählte ihnen, „Der Krieg ist vorbei. Die Amerikaner werden die Gefangenen nicht töten.“ – woraufhin er von japanischen Soldaten getötet wurde. Es war furchtbar. Wenn irgendwo ein Baby geweint hat, drohten die Soldaten damit, es zu erschießen. Ein paar Jungs sollen mal gesagt haben, dass sie in den Bergen heimlich etwas mit Reis machten. Als die Jungs aus den Bergen zurückkamen, zerrten ein paar Soldaten sie dorthin zurück. Man hörte aus der Ferne dann dreimal: Peng, Peng, Peng. Am nächsten Tag fand man die Jungs tot und den Reis sollen die Soldaten selber gegessen haben. Wenn man sich diesen barbarischen Mord ansieht, fragt man sich, wer hier der eigentliche Feind war ...
Vieles habe ich erst nach dem Krieg von meinen Eltern erfahren. Ich war ja selber noch sehr klein. Es sollen aber viele japanische Soldaten nach Kriegsende geflohen sein ... Die Amerikaner sollen die Untergebenen von Feldwebel Kayama erschossen und sie am Eef Beach verscharrt haben.
(Rückblickend auf den Krieg)
Ich frage mich, warum dieser Krieg damals notwendig war. Warum hat Japan damals die Kamikaze-Angriffe der Sondereinheiten zugelassen ... ? Diese Art, Krieg zu führen, war eine japanische, barbarische Art. Schon als Kind habe ich so gedacht. Wir sind damals als Kinder am Strand schwimmen gegangen, als der Krieg vorbei war. Meine Freunde waren dabei. Ich war glücklicher, als es mich das leckerste Essen hätte stimmen können.
Damit die Weltgemeinschaft in Frieden zusammenleben kann, muss die Welt eins werden, keiner darf sich über den anderen erheben. Die Welt muss im Herzen eins sein. Die jungen Menschen von heute haben die Möglichkeit, die Welt in Frieden zu erhalten, darum hoffe ich, dass sie das nutzen, viel miteinander sprechen und die Welt zu vereinen versuchen.
Shōsei Yamashiro (79)
(Geburtsort: Nakazato-son, Kume-jima, Okinawa)
Die Soldaten damals sprachen zwar immer davon, dass sie „auf jeden Fall gewinnen“ würden, aber dennoch ließen sie auf unserem Grundstück einen Luftschutzbunker ausheben.
Wenn dann ein Würdenträger im Militär gesagt hätte: „Wir können den Krieg nicht mehr gewinnen, wir ergeben uns“, dann wäre wohl auch keine Atombombe abgeworfen worden.
Und hätte der Krieg auch nur einen Tag früher geendet, so hätten wohl im Süden Okinawas nicht so viele Menschen noch ihr Leben verloren.
Ich war damals in der ersten Klasse der Grundschule, also etwa sechs oder sieben Jahre alt. Wir haben in der Schule eigentlich nur Kriegsübungen gemacht und so gut wie nichts gelernt. Wir mussten üben, wie wir uns in Sicherheit bringen, wenn die Alarmsirenen für die Luftangriffe losgehen. Oder wir haben Strohpuppen gebastelt und daran mit Bambuslanzen geübt.
Bei dem Luftangriff am 10. Oktober 1944 waren besonders viele Flugzeuge am Himmel. Als diese noch sehr hoch am Himmel standen, hielten wir sie für unsere eigenen Flugzeuge und haben sie vom Sportplatz aus angefeuert, wild umherspringend. Erst als die Flugzeuge tiefer flogen, erkannten wir den Stern darauf und wir haben uns wahnsinnig erschrocken, weil junge Burschen riefen: „Das ist der Feind!“.
Vielleicht wussten die Amerikaner, dass es sich bei uns um eine Schule handelte, jedenfalls haben sie nichts abgeworfen. Kein einziger Schüler wurde getroffen oder getötet. So oder so, mit dem Beginn der Luftangriffe an diesem Tag hat für mich persönlich der Krieg erst so richtig angefangen.
Es gab den Fall, dass der Abfahrtstag eines Schiffs wegen irgendeiner Information auf den nächsten Tag verschoben wurde und dann gleich an demselben Abend von der gegnerischen Seite versenkt worden war.
Mit dem Schiff sind viele Bewohner der Insel Kume-jima im Meer ertrunken, darunter auch viele Junge, so dass fast kein junger Mensch mehr auf der Insel war. Auch mein älterer Bruder und die beiden Nachbarjungs waren vom Militär einberufen worden und auf dem Schiff gewesen.
Die Angriffe auf der Insel Kume-jima waren flächendeckend, so dass quasi alle Ortschaften getroffen wurden. Am schlimmsten hat es anscheinend die Ortschaften an der Küste getroffen.
An einem Abend gab es die Durchsage: „Keine von außen sichtbare Beleuchtung! Kein Feuer!“, damit die amerikanischen Flugzeuge uns nicht erkennen. Man rechnete auch bei Nacht mit Luftangriffen. Einmal sahen ein paar Mädels von draußen unser Raumlicht und ermahnten uns, dass unser Haus auf die Weise sichtbar sei. Dann mussten wir ein schwarzes Tuch über die Lampe legen.
Wir haben auch den kleinen Kindern beigebracht, wie sie am besten fliehen. Wir hatten dafür sogar ein Lied, das ging in etwa so: „Wenn du die Flugzeuge hörst, dann denk daran, du bist noch klein, also höre auf die Großen, tu was sie sagen, versuch nicht zu rennen, bleibe ruhig und komm mit nach draußen in den Luftschutzbunker“.
Das Leben war damals unglaublich schwierig. Hätten wir nicht mindestens die Süßkartoffeln gehabt, wäre es wohl noch schlimmer gekommen. Wir haben uns fast ausschließlich davon ernährt. Wenn wir Suppe gekocht haben, dann haben wir ein einheimisches Kraut namens Kazura als Gemüse benutzt. Wir haben verschiedenes Gewächs, das in der Natur so wuchs, zum Beispiel Nigana, eine Art Margerite, und Beifuß und so weiter genutzt. Die Leute haben damals ganz viel damit experimentiert, was man wie essen kann.
In den Bergen haben wir eine kleine Hütte gebaut und auf dem Boden, da wir ja keine Matratzen hatten, einfach Kazura-Kraut verteilt und darauf geschlafen. Wir hatten auch keine Möglichkeit zu baden und hatten daher viele Läuse, es war ziemlich eklig.
(Nach dem Krieg)
Als die Amerikaner in Japan einmarschierten, sahen wir, dass sie gar nicht so Barbaren sind, wie wir immer dachten. Sie haben den Kindern Süßigkeiten gegeben und sogar selber davon gegessen, um zu zeigen, dass sie nicht vergiftet sind. Sie müssen soviel Mitleid mit uns gehabt haben.
Im Krieg auf Kume-jima sind insgesamt etwa zehn Menschen durch feindliche Kugeln ums Leben gekommen. Ich habe aber gehört, dass Tadashi Kayama (Feldwebel der kaiserlichen Kriegsmarine) etwa 20 Einwohner eigenhändig ermordet hat. Er soll Erwachsene und Kinder in ein Reetdachhaus gesperrt und dieses dann angezündet haben, als alle noch am Leben waren ...
Es gab eine Person namens Meiyū Nakandakari, der kam zu den Leuten und erzählte ihnen, „Der Krieg ist vorbei. Die Amerikaner werden die Gefangenen nicht töten.“ – woraufhin er von japanischen Soldaten getötet wurde. Es war furchtbar. Wenn irgendwo ein Baby geweint hat, drohten die Soldaten damit, es zu erschießen. Ein paar Jungs sollen mal gesagt haben, dass sie in den Bergen heimlich etwas mit Reis machten. Als die Jungs aus den Bergen zurückkamen, zerrten ein paar Soldaten sie dorthin zurück. Man hörte aus der Ferne dann dreimal: Peng, Peng, Peng. Am nächsten Tag fand man die Jungs tot und den Reis sollen die Soldaten selber gegessen haben. Wenn man sich diesen barbarischen Mord ansieht, fragt man sich, wer hier der eigentliche Feind war ...
Vieles habe ich erst nach dem Krieg von meinen Eltern erfahren. Ich war ja selber noch sehr klein. Es sollen aber viele japanische Soldaten nach Kriegsende geflohen sein ... Die Amerikaner sollen die Untergebenen von Feldwebel Kayama erschossen und sie am Eef Beach verscharrt haben.
(Rückblickend auf den Krieg)
Ich frage mich, warum dieser Krieg damals notwendig war. Warum hat Japan damals die Kamikaze-Angriffe der Sondereinheiten zugelassen ... ? Diese Art, Krieg zu führen, war eine japanische, barbarische Art. Schon als Kind habe ich so gedacht. Wir sind damals als Kinder am Strand schwimmen gegangen, als der Krieg vorbei war. Meine Freunde waren dabei. Ich war glücklicher, als es mich das leckerste Essen hätte stimmen können.
Damit die Weltgemeinschaft in Frieden zusammenleben kann, muss die Welt eins werden, keiner darf sich über den anderen erheben. Die Welt muss im Herzen eins sein. Die jungen Menschen von heute haben die Möglichkeit, die Welt in Frieden zu erhalten, darum hoffe ich, dass sie das nutzen, viel miteinander sprechen und die Welt zu vereinen versuchen.