Flucht in eine Höhle in Itosu
„Flucht in eine Höhle in Itosu“
Tomi Nakandakari (93)
(Geburtsort: Itosu, Itoman-shi, Okinawa)
Wir hatten Angst, dass uns die Kriegsschiffe sehen können, wenn wir das Licht anzünden, und uns dann beschießen würden. Also legten wir einige Getreidesäcke draußen auf den Boden und aßen dort.
Den Gerüchten zufolge würden die Amerikaner in Yomitan an Land gehen wollen, doch wir sahen über unserem Haus neun Flugzeuge in Dreierschwadronen aus dem Süden kommend, aus Richtung Kiyanmisaki.
Als die Luftangriffe losgingen, flohen wir in eine Höhle, die es hinter unserer Ortschaft gab und Unjahgama hieß. Tagsüber sollten wir die Höhle nicht verlassen, weil das zu gefährlich sei, aber nachts gingen wir zurück in unsere Häuser und bereiteten das Abendessen vor. Die Nahrungsmittel hatten wir alle mit in die Höhle genommen, nur zum Reiskochen wollten wir zurück in die Häuser. Allerdings waren diese bereits zu Asche verbrannt, als wir dort ankamen.
Mein Vater kam eines Tages zu uns in die Höhle und warnte uns, dass der Feind sich bereits der Stadt Shuri näherte. Außerdem sagte er dann zu mir und meinem ältesten Bruder, dass er neben dem Haus einige Töpfe und eine Teekanne verscharrt habe, in denen er Geld versteckt habe. Wir sollen das Geld nehmen, wenn der Krieg zu Ende sei. Dann meinte er noch, dass wir die Höhle nicht verlassen sollen, weil der Feind bereits so nah sei. Danach habe ich meinen Vater nie wieder gesehen.
Einmal kam aus Shuri eine vierköpfige Familie, die uns nicht bekannt war, und bat uns um Hilfe. Wir konnten sie schlecht wegschicken und ich hatte Mitleid mit dem etwa 15-jährigen Mädchen und dem 9 Jahre alten Jungen. Daher wollte ich kurz zu dem Pferdestall und das Zuckerfässchen holen, das dort versteckt lag. Dann folgte mir die Familie.
Genau in dem Moment kam ein Geschoss von einem Kriegsschiff geflogen. Die Trümmer trafen die Brust der Mutter und sie starb noch am selben Tag. Das Mädchen starb auch, dem Jungen wurden die Beine abgerissen und sein Oberkörper flog bis zum Stall. Ich sehe noch immer vor mir, wie seine abgetrennten Beine auf dem Boden zappelten.
Nur das dreijährige Kind überlebte. Bevor die Mutter starb, sagte sie in ihren letzten Atemzügen: „Falls ich sterben sollte: Wir sind die Familie Kawakami aus Shuri, bitte sorgt dafür, dass mein Kind bei seinen Verwandten unterkommt“. Doch der Krieg wurde tendenziell eher schlimmer und ihr letzter Wunsch war nicht zu bewältigen. Das Kind weinte vorzu.
Bei dem Pferdestall hatten sich viele Flüchtlinge versammelt und ein älterer Mann sagte über das schreiende Kind: „Wenn es weiter so schreit, werden wir noch von einer Bombe getroffen!“. Er sagte weiterhin, dass man die Toten nicht hier rumliegen lassen könne, der Gestank sei zu intensiv. Wir trugen die drei Leichname also aufs Ackerfeld hinaus und legten sie dort nieder.
(Nach dem Krieg)
Auch heute noch kann ich in meinem Heimatdorf nachts nicht unterwegs sein. Damals sah man an allen Ecken Tote und Verletzte auf dem Boden. Darunter die hervorgequollenen Gedärme, aufgeblähte Tote oder Babys, die an der Brust ihrer toten Mutter saugten. Nachts kann ich da nicht mehr vor’s Haus.
(Inmitten des Bombardements)
Um unser Grundstück herum gab es damals eine Steinmauer, über die wir alle gesprungen sind, als wir flohen. Für ein Kind war die Mauer zu hoch gewesen und es rief schluchzend nach seiner Mutter. Ich konnte dem Kind nicht helfen.
Daraufhin hielten wir uns in einer Höhle versteckt, die sehr eng und tief war. Doch ein Teil eines Geschosses muss sich gelöst haben und schlug rauchend direkt neben meinem Fuß ein. Hätte es mich getroffen, wäre ich wohl tot gewesen. Meine Mutter und mein Vater müssen hier aus dem Himmel heraus eine schützende Hand über mich gehalten haben.
(Rückblickend auf den Krieg)
Es schmerzt immer noch sehr, über den Krieg zu erzählen. Den Kindern von heute zu liebe wünsche ich, dass es nie wieder zu einem solchen Krieg kommt. Ein Krieg würde nichts als Elend bringen.
Tomi Nakandakari (93)
(Geburtsort: Itosu, Itoman-shi, Okinawa)
Wir hatten Angst, dass uns die Kriegsschiffe sehen können, wenn wir das Licht anzünden, und uns dann beschießen würden. Also legten wir einige Getreidesäcke draußen auf den Boden und aßen dort.
Den Gerüchten zufolge würden die Amerikaner in Yomitan an Land gehen wollen, doch wir sahen über unserem Haus neun Flugzeuge in Dreierschwadronen aus dem Süden kommend, aus Richtung Kiyanmisaki.
Als die Luftangriffe losgingen, flohen wir in eine Höhle, die es hinter unserer Ortschaft gab und Unjahgama hieß. Tagsüber sollten wir die Höhle nicht verlassen, weil das zu gefährlich sei, aber nachts gingen wir zurück in unsere Häuser und bereiteten das Abendessen vor. Die Nahrungsmittel hatten wir alle mit in die Höhle genommen, nur zum Reiskochen wollten wir zurück in die Häuser. Allerdings waren diese bereits zu Asche verbrannt, als wir dort ankamen.
Mein Vater kam eines Tages zu uns in die Höhle und warnte uns, dass der Feind sich bereits der Stadt Shuri näherte. Außerdem sagte er dann zu mir und meinem ältesten Bruder, dass er neben dem Haus einige Töpfe und eine Teekanne verscharrt habe, in denen er Geld versteckt habe. Wir sollen das Geld nehmen, wenn der Krieg zu Ende sei. Dann meinte er noch, dass wir die Höhle nicht verlassen sollen, weil der Feind bereits so nah sei. Danach habe ich meinen Vater nie wieder gesehen.
Einmal kam aus Shuri eine vierköpfige Familie, die uns nicht bekannt war, und bat uns um Hilfe. Wir konnten sie schlecht wegschicken und ich hatte Mitleid mit dem etwa 15-jährigen Mädchen und dem 9 Jahre alten Jungen. Daher wollte ich kurz zu dem Pferdestall und das Zuckerfässchen holen, das dort versteckt lag. Dann folgte mir die Familie.
Genau in dem Moment kam ein Geschoss von einem Kriegsschiff geflogen. Die Trümmer trafen die Brust der Mutter und sie starb noch am selben Tag. Das Mädchen starb auch, dem Jungen wurden die Beine abgerissen und sein Oberkörper flog bis zum Stall. Ich sehe noch immer vor mir, wie seine abgetrennten Beine auf dem Boden zappelten.
Nur das dreijährige Kind überlebte. Bevor die Mutter starb, sagte sie in ihren letzten Atemzügen: „Falls ich sterben sollte: Wir sind die Familie Kawakami aus Shuri, bitte sorgt dafür, dass mein Kind bei seinen Verwandten unterkommt“. Doch der Krieg wurde tendenziell eher schlimmer und ihr letzter Wunsch war nicht zu bewältigen. Das Kind weinte vorzu.
Bei dem Pferdestall hatten sich viele Flüchtlinge versammelt und ein älterer Mann sagte über das schreiende Kind: „Wenn es weiter so schreit, werden wir noch von einer Bombe getroffen!“. Er sagte weiterhin, dass man die Toten nicht hier rumliegen lassen könne, der Gestank sei zu intensiv. Wir trugen die drei Leichname also aufs Ackerfeld hinaus und legten sie dort nieder.
(Nach dem Krieg)
Auch heute noch kann ich in meinem Heimatdorf nachts nicht unterwegs sein. Damals sah man an allen Ecken Tote und Verletzte auf dem Boden. Darunter die hervorgequollenen Gedärme, aufgeblähte Tote oder Babys, die an der Brust ihrer toten Mutter saugten. Nachts kann ich da nicht mehr vor’s Haus.
(Inmitten des Bombardements)
Um unser Grundstück herum gab es damals eine Steinmauer, über die wir alle gesprungen sind, als wir flohen. Für ein Kind war die Mauer zu hoch gewesen und es rief schluchzend nach seiner Mutter. Ich konnte dem Kind nicht helfen.
Daraufhin hielten wir uns in einer Höhle versteckt, die sehr eng und tief war. Doch ein Teil eines Geschosses muss sich gelöst haben und schlug rauchend direkt neben meinem Fuß ein. Hätte es mich getroffen, wäre ich wohl tot gewesen. Meine Mutter und mein Vater müssen hier aus dem Himmel heraus eine schützende Hand über mich gehalten haben.
(Rückblickend auf den Krieg)
Es schmerzt immer noch sehr, über den Krieg zu erzählen. Den Kindern von heute zu liebe wünsche ich, dass es nie wieder zu einem solchen Krieg kommt. Ein Krieg würde nichts als Elend bringen.