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Meine Kriegserfahrung im Norden Okinawas, bei Kunigami und Ogimi

“Meine Kriegserfahrung im Norden Okinawas, bei Kunigami und Ogimi”
Saneo Nakamura (86)
(Geburtsort: Yona, Kunigami-son, Okinawa)

Ich war im vierten Jahr der Grundschule, als der Krieg begann, also etwa 9 oder 10 Jahre alt. Ich ging für eine Weile weiterhin zum Unterricht, aber irgendwann widmeten wir uns nur noch dem Anbau von Nahrungsmitteln und dem Ausheben von Schutzbunkern.
Darüber hinaus mussten wir Brennholz sammeln, damit die japanischen Soldaten ihr Essen zubereiten konnten. Das Brennholz verluden wir auf Schiffe.
An den Tagen, an denen es nichts zu tun gab, übten wir mit Lanzen auf Strohpuppen einzustechen, von denen wir uns vorstellten, dass sie der amerikanische Präsident Roosevelt oder der britische Premier Churchill seien.

Am 8. Dezember 1941 änderte sich unser Leben schlagartig.
Unser Lehrer in der Schule redete nur noch vom Krieg und unsere Lieder waren alles Kriegslieder. Auf dem Schulhof mussten wir Leibesübungen nachgehen. Beim erfolgreichen Angriff auf Pearl Harbor hissten wir selbstgebastelte Flaggen mit dem Sonnenwappen Japans und riefen „Banzai, Banzai“.
Die Schüler der gesamten Schule sangen gemeinsam Kriegslieder, schwangen die Landesflagge und marschierten durch den Ortsteil Hentona in Dorf Kunigami. In der Schule hieß es immer: „Geh in den Krieg und erwirb dir deine Verdienste!“, so dass ich am Ende eben auch in Zukunft ein Soldat werden wollte.

Mein älterer Bruder bewarb sich dann bei der Marine und ich erinnere mich, wie sich unsere Mutter quergestellt hatte. Die beiden haben sich fürchterlich gestritten. Mein Bruder sprach immer davon, dass Japan den Krieg verlieren werde, wenn er nicht mitkämpfe. Schließlich bewarb er sich mich 16 Jahren beim Militär und mit 17 zog er in seinen ersten Feldzug. Mit 18 starb er auf dem Schlachtfeld.

Uns erreichte die Nachricht über den Tod meines Bruders am Vortag der amerikanischen Invasion von Okinawa. Meine Mutter war nur noch am weinen. Am nächsten Tag, am 1. April, gingen die USA an Land. Das ganze Dorf floh um sein Leben, außer meiner Mutter, die vor dem Hausalter kniete, zitternd und weinend, und nichts hätte sie zum Gehen bewegen können. Auch als die Luftangriffe durch die Grumann-Maschinen losgingen und ich mit meinen zwei anderen Brüdern zitternd vor Angst in den Luftschutzbunker floh, flehten wir unsere Mutter an mitzukommen, doch sie blieb, wo sie war. Nach dem Krieg erzählte mir meine Mutter, dass sie sich in dem Moment gewünscht hätte, von einer Luftbombe in den Tod gerissen zu werden.

Am 1. April legten die Amerikaner in Yomitan an und den Norden erreichten sie etwa am 12. April. Alle Bewohner waren bereits in die Berge geflohen, doch die Amerikaner kamen auch die Berge hoch, angeblich um uns alle zu vernichten. Doch auch alle, die in den Bergen versteckt lebten, wurden letztlich von den Amerikanern gefasst und zurück ins Dorf gebracht. Man hatte uns damals weisgemacht, dass die Amerikaner noch grausamer als Dämonen seien, daher wollten wir unter keinen Umständen aus den Bergen herabsteigen. Hätten uns die US-Soldaten aber nicht zwangsweise abtransportiert, wären wohl ziemlich viele Leute vor Hunger gestorben.

Es gibt Dinge, die kann ich bis heute nicht vergessen.
Nachdem uns die Amerikaner aus den Bergen geschleppt hatten, verluden sie uns in Trucks und karrten uns nach Kijoka ins Dorf Ogimi. Von dort ging es innerhalb von Ogimi weiter nach Takazato, wo in einer Art Bürgerhalle bereits viele Flüchtlinge versammelt waren. Dort sah ich einen kleinen Jungen, etwa 4-5 Jahre alt, und ein kleines Mädchen, etwa 2-3 Jahre alt, die beide bitter weinten. Zu ihren Füßen schlief eine Frau, mit ihrer Kleidung über dem Gesicht. Daneben versuchten einige ältere Frauen, die Kinder zu trösten, indem sie ihnen erklärten, dass die Mutter doch nur schlafe und es keinen Grund gäbe, zu weinen. Doch diese hatten bereits begriffen, dass ihre Mutter tot ist. Sie hörten nicht auf zu weinen.
Auch was uns geschehen ist, war schrecklich und grausam. Aber diese Szenerie werde ich nie vergessen können. Ich wundere mich noch heute, was wohl aus den Kindern geworden ist. Man darf keinen Krieg führen.