Der Krieg auf Insel Ie-jima und im Norden Okinawas aus der Sicht eines Schülers
„Der Krieg auf Insel Ie-jima und im Norden Okinawas aus der Sicht eines Schülers“
Yoshimitsu Sugeyama (89)
(Geburtsort: Uehara, Ogimi-son, Okinawa)
Der Schulunterricht damals bestand ausschließlich aus militärischen Truppenübungen.
Dazu gehörte auch das Singen der Hymne mit dem Namen „Gokyotai no Uta“, also das „Lied der Heimatschutztruppe“. Oder es wurde einem gesagt: “Ihr werdet bald Soldaten“. Und wenn man die sogenannte kaiserliche Verfügung für Soldaten nicht Wort für Wort auswendig aufsagen konnte, wurde man bestraft. Ein Unteroffizier sagte zu uns: „Wenn der Krieg auf Okinawa zu Ende ist, solltet ihr euch sofort in der Unteroffiziersakademie bewerben. Es wäre von Vorteil für euch.“
Mit 15 Jahren bin ich mit etwa 32, 33 anderen zur Insel Iejima entsandt worden, um einen Flughafen zu bauen und die Stellung vor Ort aufzubauen. Wir arbeiteten zehn Tage am Stück auf der Insel, ein oder zwei Mal im Monat, bis im Oktober die Luftangriffe begannen.
(Luftangriffe vom 10. 10.)
Am Vortag der Luftangriffe, also am Vormittag des 9. Oktobers, als wir nach verrichteter Arbeit auf der Insel Iejima zurück in unserem heimischen Lager angekommen waren, füllte sich der Himmel plötzlich mit Aufklärungsflugzeugen der US-Armee, alle vom Typ Grumann. Ein Tag nach unserer Heimkehr von der Insel Iejima fanden die Luftangriffe vom 10. 10. statt.
(Ankunft der Amerikaner)
Als die Amerikaner an Land kamen, war ich gerade auf dem Gipfel des Bergs Yomitan, der im Norden von Zakimigusuku in Dorf Yomitan-son liegt. Ich lieh mir das Fernglas des Kompanieführers und beobachtete, wie die Amerikaner mit Amphibienpanzern im Hafen von Toguchi an Land gingen.
Ich war erstaunt, dass von japanischer Seite aus keine einzige Kugel geschossen wurde, und fragte daher den Kompanieführer: „Na, ob unsere Jungs hier auf Okinawa unter den Umständen siegen können ...?“. Er erwiderte nur knapp: „Ja.“.
Da ich in das Frontkommando versetzt worden war, bekam ich zeitgleich mit den Anlegen der Amerikaner, am 2. April, meine Frontwaffe ausgehändigt und bezog Stellung in der Ortschaft Yaka, getrennt von den restlichen Truppen. Wir waren noch etwa 60 Soldaten. In kleinen Gruppen à drei Leuten erhielten wir Sprengstoff, also insgesamt 20 Ladungen Sprengstoff für 60 Soldaten.
Wir hatten weder eine Höhle noch eine feste Stellung zur Verfügung, sondern nur eine kleine Fluchthütte. Wir hätten uns im Falle eines Bombardements ohne Luftschutzbunker oder ähnlichem nicht wirklich in Sicherheit bringen können, und wären schutzlos ausgeliefert gewesen.
Ab und zu sahen wir amerikanische Soldaten und sie erweckten auf uns den Eindruck von Dämonen, die vom Himmel herabgestiegen sind. Dem Gegenüber war das japanische Militär von Ritualen bestimmt gewesen, wie etwa dem Rauchen eines vom Kaiser geschenkten Tabaks mit kaiserlichem Familienwappen im Einrollpapier, oder dann dem Wassertrunk-Ritual bei einem möglicherweise letzten Abschied. Diese und weitere Rituale hatten einen hohen Stellenwert.
In den Drills wurde man immer von den Vorgesetzten geschlagen. Das war hart. Wenn man über die Familie sprach, wurde man gemaßregelt. Das Thema Familie war strengstens verboten.
Später, am 1. Juni, zogen wir uns vom Berg Onnadake zurück. Erst 50 Tage später, am 19. Juli, erreichten wir die nächste Ortschaft. Wir mussten über Berge und durch Täler, hunderten von Bergwegen entlang, bis wir endlich unser Ziel erreichten. Wir hatten kein Essen, nur Wasser, von dem allerdings gewarnt wurde, es zu trinken, da es mit Zyankali vergiftet worden sei. Ohne Essen und Trinken zu sein war das Schlimmste. Zudem hatten wir haufenweise Läuse, mit denen wir noch zusätzlich zu kämpfen hatten. Das, sowie die Mangelernährung aufgrund von Krankheiten wie Malaria oder Dysenterie und so weiter, so dass einer nach dem anderen liegen blieb.
Unser Kommandeur hatte uns nicht mitgeteilt, dass der Krieg vorbei war. Im Gegenteil, er faselte davon, dass die japanischen Truppen von der Hauptinsel aus einen Gegenangriff vorbereiteten und dass wir uns bereithalten sollten, um dann aus dem Hinterhalt einen Guerillakrieg einzufädeln. Außerdem befahl er uns, in der Zwischenzeit in unsere Häuser zurückzukehren, um Nahrungsmittel zu holen und diese dann zu den kaiserlichen Offizieren zu bringen.
Keiner sprach davon, dass wir den Krieg verloren haben. In meinem Umfeld aber sprachen ein paar davon, dass wir bereits verloren hätten, andere wiederum schworen darauf, dass wir siegreich sein würden.
Dann kam der 19. Juli 1945. Wir sollten alle den Hafen von Shioya durchschwimmen. Ich konnte aber nicht schwimmen ... mir war daher klar, dass es an Selbstmord grenzen würde. Ich fand einen herumliegenden Schiffsmast, und band mich daran fest. Kaum im Wasser wurde ich zum Spielball der Wellen und ich war mir nicht sicher, ob ich lebend aus dieser Situation herauskommen würde.
(Rückblickend auf den Krieg)
Der Krieg ist die wahre Hölle auf Erden. Für jemanden wie mich, der den Krieg mit eigenen Augen gesehen hat, gibt es kein vergleichbares Elend.
In unserer Verfassung gibt es den Artikel 9, der eigene Streitkräfte zu Land, Wasser und Luft verbietet. Wenn alle Länder der Welt diesen Verfassungsartikel besäßen, gäbe es wohl nie wieder Krieg.
Yoshimitsu Sugeyama (89)
(Geburtsort: Uehara, Ogimi-son, Okinawa)
Der Schulunterricht damals bestand ausschließlich aus militärischen Truppenübungen.
Dazu gehörte auch das Singen der Hymne mit dem Namen „Gokyotai no Uta“, also das „Lied der Heimatschutztruppe“. Oder es wurde einem gesagt: “Ihr werdet bald Soldaten“. Und wenn man die sogenannte kaiserliche Verfügung für Soldaten nicht Wort für Wort auswendig aufsagen konnte, wurde man bestraft. Ein Unteroffizier sagte zu uns: „Wenn der Krieg auf Okinawa zu Ende ist, solltet ihr euch sofort in der Unteroffiziersakademie bewerben. Es wäre von Vorteil für euch.“
Mit 15 Jahren bin ich mit etwa 32, 33 anderen zur Insel Iejima entsandt worden, um einen Flughafen zu bauen und die Stellung vor Ort aufzubauen. Wir arbeiteten zehn Tage am Stück auf der Insel, ein oder zwei Mal im Monat, bis im Oktober die Luftangriffe begannen.
(Luftangriffe vom 10. 10.)
Am Vortag der Luftangriffe, also am Vormittag des 9. Oktobers, als wir nach verrichteter Arbeit auf der Insel Iejima zurück in unserem heimischen Lager angekommen waren, füllte sich der Himmel plötzlich mit Aufklärungsflugzeugen der US-Armee, alle vom Typ Grumann. Ein Tag nach unserer Heimkehr von der Insel Iejima fanden die Luftangriffe vom 10. 10. statt.
(Ankunft der Amerikaner)
Als die Amerikaner an Land kamen, war ich gerade auf dem Gipfel des Bergs Yomitan, der im Norden von Zakimigusuku in Dorf Yomitan-son liegt. Ich lieh mir das Fernglas des Kompanieführers und beobachtete, wie die Amerikaner mit Amphibienpanzern im Hafen von Toguchi an Land gingen.
Ich war erstaunt, dass von japanischer Seite aus keine einzige Kugel geschossen wurde, und fragte daher den Kompanieführer: „Na, ob unsere Jungs hier auf Okinawa unter den Umständen siegen können ...?“. Er erwiderte nur knapp: „Ja.“.
Da ich in das Frontkommando versetzt worden war, bekam ich zeitgleich mit den Anlegen der Amerikaner, am 2. April, meine Frontwaffe ausgehändigt und bezog Stellung in der Ortschaft Yaka, getrennt von den restlichen Truppen. Wir waren noch etwa 60 Soldaten. In kleinen Gruppen à drei Leuten erhielten wir Sprengstoff, also insgesamt 20 Ladungen Sprengstoff für 60 Soldaten.
Wir hatten weder eine Höhle noch eine feste Stellung zur Verfügung, sondern nur eine kleine Fluchthütte. Wir hätten uns im Falle eines Bombardements ohne Luftschutzbunker oder ähnlichem nicht wirklich in Sicherheit bringen können, und wären schutzlos ausgeliefert gewesen.
Ab und zu sahen wir amerikanische Soldaten und sie erweckten auf uns den Eindruck von Dämonen, die vom Himmel herabgestiegen sind. Dem Gegenüber war das japanische Militär von Ritualen bestimmt gewesen, wie etwa dem Rauchen eines vom Kaiser geschenkten Tabaks mit kaiserlichem Familienwappen im Einrollpapier, oder dann dem Wassertrunk-Ritual bei einem möglicherweise letzten Abschied. Diese und weitere Rituale hatten einen hohen Stellenwert.
In den Drills wurde man immer von den Vorgesetzten geschlagen. Das war hart. Wenn man über die Familie sprach, wurde man gemaßregelt. Das Thema Familie war strengstens verboten.
Später, am 1. Juni, zogen wir uns vom Berg Onnadake zurück. Erst 50 Tage später, am 19. Juli, erreichten wir die nächste Ortschaft. Wir mussten über Berge und durch Täler, hunderten von Bergwegen entlang, bis wir endlich unser Ziel erreichten. Wir hatten kein Essen, nur Wasser, von dem allerdings gewarnt wurde, es zu trinken, da es mit Zyankali vergiftet worden sei. Ohne Essen und Trinken zu sein war das Schlimmste. Zudem hatten wir haufenweise Läuse, mit denen wir noch zusätzlich zu kämpfen hatten. Das, sowie die Mangelernährung aufgrund von Krankheiten wie Malaria oder Dysenterie und so weiter, so dass einer nach dem anderen liegen blieb.
Unser Kommandeur hatte uns nicht mitgeteilt, dass der Krieg vorbei war. Im Gegenteil, er faselte davon, dass die japanischen Truppen von der Hauptinsel aus einen Gegenangriff vorbereiteten und dass wir uns bereithalten sollten, um dann aus dem Hinterhalt einen Guerillakrieg einzufädeln. Außerdem befahl er uns, in der Zwischenzeit in unsere Häuser zurückzukehren, um Nahrungsmittel zu holen und diese dann zu den kaiserlichen Offizieren zu bringen.
Keiner sprach davon, dass wir den Krieg verloren haben. In meinem Umfeld aber sprachen ein paar davon, dass wir bereits verloren hätten, andere wiederum schworen darauf, dass wir siegreich sein würden.
Dann kam der 19. Juli 1945. Wir sollten alle den Hafen von Shioya durchschwimmen. Ich konnte aber nicht schwimmen ... mir war daher klar, dass es an Selbstmord grenzen würde. Ich fand einen herumliegenden Schiffsmast, und band mich daran fest. Kaum im Wasser wurde ich zum Spielball der Wellen und ich war mir nicht sicher, ob ich lebend aus dieser Situation herauskommen würde.
(Rückblickend auf den Krieg)
Der Krieg ist die wahre Hölle auf Erden. Für jemanden wie mich, der den Krieg mit eigenen Augen gesehen hat, gibt es kein vergleichbares Elend.
In unserer Verfassung gibt es den Artikel 9, der eigene Streitkräfte zu Land, Wasser und Luft verbietet. Wenn alle Länder der Welt diesen Verfassungsartikel besäßen, gäbe es wohl nie wieder Krieg.