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An Bord des Schiffs Tsushima-Maru

“An Bord des Schiffs Tsushima-Maru”
Sumiko Horikawa (84)
(Geburtsort: Tomari, Stadt Naha, Okinawa)

Bis Juli der sechsten Klasse in der Grundschule konnte gerade noch Unterricht stattfinden. Gegen Ende der Sommerferien hatte sich meine Schule dann bereits in eine Kaserne verwandelt.
Zu dieser Zeit begann man mit der Evakuierung, wofür einige Formalitäten erledigt werden mussten. Während alle anderen diese schon hinter sich gebracht hatten, waren wir spät dran. Wir haben diese dann direkt beim Vorsitzenden der Nachbarschaftsvereinigung vorgenommen, da ich gehört hatte, dass sich alle meine Freunde für die Evakuierung angemeldet hatten. So kam ich an Bord des Schiffs Tsushimamaru, welches später durch einen Angriff sinken sollte.

Am 22. August lief das Schiff aus und alle waren voller Hoffnung und Erwartung, nach der Ankunft Schnee oder Kirschblüten sehen zu können, in einem Zug oder auf einem Schiff zu reisen. Um lauter solcher Dinge drehten sich unsere Gedanken.
Da unsere Rückkehr im März erfolgen sollte, sagte ich mir, dass es fast wie eine Klassenfahrt sei, und hatte überhaupt keine Bedenken. Mir war überhaupt nicht bewusst, dass der Krieg schon recht schlimm fortgeschritten war.
Ich erinnere mich nur an einen einzigen Fliegeralarm vor meiner Abreise, bei dem wir uns in einem Bunker versteckten.

Nachträglich hörte ich, dass sich meine Mutter vor meiner Abreise große Sorgen machte, aber sich von den abreisenden Kindern ihre Angst nicht anmerken lassen wollte.
Sie kam zwar zum Verabschieden zum Hafen, sagte aber anscheinend zu meiner älteren Schwester: „Wir dürfen den Kindern jetzt keine Tränen zeigen.“. Sie versuchte ihre Angst zu verbergen, indem sie sich vor den abreisenden Kindern zusammenriss. Sie hielt ihre Tränen zurück. Das habe ich aber erst später erfahren.

(An Bord der Tsushima-Maru)
Vor dem Schlafengehen sollten wir unsere Schwimmwesten anlegen, da nun der stürmische gefährlichste Abschnitt namens Shichitō-nada bevorstand. Wir Mädchen hielten uns daran und trugen die Westen beim Schlafen. Die Jungen fanden die Westen störend und schliefen ohne sie zu tragen.
Nachdem wir eine Weile geschlafen hatten, hörte ich die zuständige Lehrerin Chiyo Gushi sagen: „Wir wurden getroffen, steht alle auf!“. Ich sprang auf und lief hinter den anderen her. Irgendwie kam ich hinauf auf das Deck, aber es müssen viele gewesen sein, die es nicht vom Schiffsbauch heraufschafften. Ich glaube, einige blieben im Schiffsbauch zurück.

Auf dem Deck traf ich meine Freundin und Klassenkameradin Maeshiro. Sie war mit ihrer kleinen Schwester auf dem Schiff, und da diese an Seekrankheit litt, hatte sie diese neben den Lehrern zum Schlafen gelegt. Doch die Schwester war weg, und sie in diesem Chaos zu finden war sehr schwierig, woraufhin ein Lehrer ihr sagte: „Ich suche deine Schwester. Es ist besser, wenn du jetzt weitergehst“, so dass wir zusammen auf das obere Deck gingen. Aber es war schon zu spät, denn alle Flöße und Boote waren schon abgeseilt. Uns blieb nichts anderes übrig als abzuwarten, als schlagartig das Meerwasser aufs Deck schoss und das Schiff unterging. Ich geriet im Wasser in einen Strudel und wurde herumgewirbelt, so dass ich nicht mehr wusste, ob ich andauernd gegen Gepäck oder Menschen prallte und wie viel Zeit verging.
Da ich aber die Schwimmweste seit dem Schlafengehen die ganze Zeit trug, blieb ich an der Wasseroberfläche und überlebte.

Ich meine mich zu erinnern, dass mehr Erwachsene als Kinder ins Meer geschleudert wurden. Als der nächste Tag anbrach, waren viele verschwunden. Vielleicht waren sie von den Wellen verschlungen worden oder hielten sich im Wasser an etwas fest, aber ertranken dann doch vor Erschöpfung ...
Ich sah mit meinen eigenen Augen, wie ein Klassenkamerad gegen drei Uhr am Folgetag am Ende seiner Kräfte angelangte und wegtrieb. Dieses Bild hat sich in meine Augen eingebrannt und ist bis heute geblieben. Ich glaube er hatte sich irgendwo gestoßen und sich dabei verletzt, denn er stöhnte ständig. Nach einer Weile, wahrscheinlich gegen drei Uhr am Nachmittag, bemerkte ich plötzlich, wie er am Ende seiner Kräfte war und losließ.

(Rettung)
Am nächsten Tag in der Abenddämmerung wurden wir von einem Fischerboot gerettet. Am Nachmittag gegen drei Uhr sah ich ein Flugzeug am Himmel. Dieses Flugzeug meldete dem Fischerboot, dass es in der Nähe Schiffbrüchige gebe und es Richtung Süden fahren solle, sodass wir vom Fischerboot aufgenommen werden konnten. So erzählte es mir später eine gewisse Frau Samejima.
Wir verbrachten eine Nacht auf dem Fischerboot und die nächste Nacht in einer Fischereigenossenschaft im Hafen von Yamagawa, um anschließend die Stadt Kagoshima zu erreichen. In der Fischereigenossenschaft im Hafen hat sich ein Frauenverein für uns versammelt und uns Reisbrei gekocht. Ich war zwar Teil des Ersttrupps, aber es gab noch eine Vorhut, die schon nach Miyazaki abgereist war. Dessen Leiter, ein Lehrer, kam uns dann abholen, sodass wir mit ihm auch nach Miyazaki reisten.

Nach der Rettung wurden wir in einem Gasthaus untergebracht, in Schülerevakuierung und allgemeine Evakuierung aufgeteilt, und unsere Gruppe kam erneut in ein anderes Gasthaus. Ich glaube, das Gasthaus hieß Harumoto-Ryokan. Der Lehrer, der den Vortrupp leitete, kam uns anschließend abholen.
Eine Weile blieb ich am Ort der Schülerevakuierung, als aber mein Onkel und meine Tante aus Okinawa nach Kumamoto evakuierten, wurde ich direkt von ihnen aufgenommen.
So lebte ich ein Jahr oder vielleicht auch länger auf dem Land in Kumamoto. Wir lebten in den Bergen und ich blieb dort bis zu meiner Rückkehr nach Okinawa.
Das Leben dort war nicht einfach, aber wir schafften es genug zum Essen zu haben. Wir fingen zum Beispiel Süßwasserschnecken und sammelten Lauch und vieles anderes. Wir sammelten auch kleine Bambussprossen und aßen diese.
Ich musste dort Getreide festtreten, Reis pflanzen und so weiter, viel arbeiten, so dass ich kaum zur Schule ging.


Den stärksten Eindruck hinterließ ein Ereignis, das sich zutrug, als alle Schulkinder gemeinsam ein leerstehendes Reisfeld bepflanzen mussten. Uns wurde gesagt: „Kinder, kommt alle vom Feld runter, kommt“, und wir gingen hoch zu einem Schrein. Ein Radio wurde gebracht und alle waren versammelt, da es eine wichtige Übertragung vom Kaiser gebe.
Als diese Übertragung begann, fing ein Lehrer laut zu weinen an und ich fragte mich, was bloß los sei. Was der Kaiser sprach konnte ich nicht recht verstehen, aber der Lehrer weinte sehr laut. Das hinterließ einen starken Eindruck.

(Rückkehr nach Okinawa)
Damals hatten wir kaum Informationen und erst kurz vor unserer Rückkehr kamen langsam einige Informationen an. Auf Okinawa gab es in Kubasaki das Innumiyādui-Lager und dort wurden wir untergebracht. Mich erleichterte, dass meine Familie dort ihre Kontaktdaten für mich hinterlegt hatte, und ich fühlte mich endlich in Sicherheit.

Als erstes kamen wir im Hafen von Naha an, aber ich erkannte die Gegend fast nicht mehr wieder, weil überall Schilf wuchs. Auf den Straßen wuchs auch Schilf und die Stadt Naha hatte sich verändert. Die Gegend Tondō war ebenfalls von Schilf überwuchert.
Ich war sehr überrascht, Weiße und Schwarze auf den Straßen zu sehen.
Nach unserer Ankunft im Hafen wurden uns die Hemden aufgeknüpft und wir wurden mit einem Insektizid namens DDT in Form weißen Pulvers bestreut. Dann wurden wir mit einem Lastwagen bis nach Kubasaki gefahren. Dort erfuhr ich dann also, wo meine Familie war.
Meine Mutter hatte anscheinend etwas anderes zu tun, deshalb kam meine Großmutter mich abholen. Ich erinnere mich, wie meine Großmutter schäbig bekleidet und abgemagert aus einem Auto stieg.
Die ersten Worte, die meine Großmutter an mich richtete, waren: „Aber warum bist du denn kleiner geworden, als vor deiner Abreise?“. Sie war wohl erschrocken, weil ich so dünn und klein geworden war.

(Rückblickend auf den Krieg)
Manchmal frage ich mich heute immer noch, ob das alles wirklich geschehen ist.
In meinem Leben ist so viel passiert. Heutzutage herrscht Frieden und wir sind vom Essen und allem anderen viel zu verwöhnt.
In unserer Welt gibt es viele bemitleidenswerte Kinder. Manchmal frage ich mich, warum Kinder als Opfer herhalten müssen.
Klar ist, dass ich keinen Krieg mehr erleben will. Auf keinen Fall darf man einen Krieg beginnen.