Erfahrungen eines Kriegsjungen von der Schlacht um Okinawa
“Erfahrungen eines Kriegsjungen von der Schlacht um Okinawa”
Fumio Shimabukuro (87)
(Geburtsort: Maejima, Naha-shi, Okinawa)
Damals träumten alle nur davon, Soldat zu werden. Auf der Mittelschule gab es einen Hauptmann namens Ōmasu. Sogar der Kaiser wusste von seinen hervorragenden Leistungen.
Ich war ein Kriegsjunge, der sich danach sehnte, zur Heeresoffiziersschule oder Kadettenschule zu gehen. Doch wegen den Kriegsvorbereitungen konnte ich nur ein Semester lang zur Mittelschule gehen.
Wir errichteten eine Stellung, um uns auf den Krieg vorzubereiten. Auf dem Flugplatz in Oroku bauten wir Bunker aus Erde, damit die Flugzeuge nicht entdeckt werden konnten. Außerdem haben wir Munition von den Bunkern nach Hantagawa gebracht, und im Hafen von Naha militärische Ausrüstung sortiert und transportiert.
(Vor den Luftangriffen)
Beim großen Luftangriff auf Okinawa am 10. Oktober 1944 hatten wir vorher keine Informationen darüber, daher ging ich morgens um 7 Uhr zu meinem Arbeitsplatz. Ich erschrak, weil die Sirenen ertönten und Bomber zu sehen waren, und war noch etwas verwirrt, als ein Offizier sein gezogenes Schwert herumschwenkte und rief: „Feindangriff! Feindangriff! Schnell, in die Bunker!“.
Ich war versteckt im Bunker, aber die Erschütterungen durch den Beschuss waren heftig und von der Decke kam Sand herab, sodass meine Beine vor Angst zitterten, denn so etwas erlebte ich zum ersten Mal.
(Die Flucht)
Von einem Tempel in Asato gingen wir nach Maeda in der Stadt Urasoe und fanden Unterschlupf bei Bekannten. Einige flüchteten auch weiter nach Norden. Da wir jedoch gehört hatten, dass es dort nichts zu essen gebe, lebten wir als Flüchtlinge in einem Bunker in Urasoe.
(Die US-Armee stürmt heran)
Am 1. April belagerten unzählige Kriegsschiffe das Meer vor Gusukuma bis Yomitan, als ob sie die ganze Insel verschlingen würden. Jederzeit würden sie angreifen.
Nach einer Weile flogen sogenannte „Libellen“, die Segelflugzeugen ähnlich sahen, durch die Luft und schienen mit den Kriegsschiffen zu kommunizieren, welche kurz darauf das Feuer eröffneten, wie bei einem Feuerwerk. So etwas hatte ich noch nie gesehen. Japan schoss lediglich einzelne Geschütze ab, aber die Amerikaner eröffneten geradezu ein Feuerwerk, welches direkt auf uns zukam. Meine Beine zitterten im Bunker.
Der Geburtstag des damaligen Kaisers, „Tenchōsetsu“ genannt, war am 29. April Ich erinnere mich, dass am Vorabend die Kriegsschiffe erneut das Feuer eröffneten. Wir gerieten unter Beschuss und unsere Grube stürzte ein. Der Bunker war nun verschlossen und stockdunkel. Nur ein klein wenig Licht fiel herein, da wir aber weder eine Schaufel noch irgendetwas hatten, räumten wir gemeinsam die mit kleinen Steinen übersäte Erde mit bloßen Händen aus dem Weg. Irgendwie schafften wir es hinaus und kamen mit dem Leben davon.
(Auf der Flucht)
Nach einigem Überlegen gingen wir nun mit unseren Töpfen von Takushi nach Taira in Shuri. Menschen lagen auf dem Weg und vom Gelände des ehemaligen Präfekturmuseums sahen wir die Burg Shuri in Flammen.
Da wir auf unserer Flucht kein Versteck fanden, öffneten wir Grabkammern und versteckten uns in ihnen. Dort gab es zwar viele Urnen von Verstorbenen, aber es war nicht an der Zeit, ängstlich zu sein, und manchmal schliefen wir sogar bei den Urnen.
Später bauten wir auf einem Hügel in Ōshiro an einem Felsen namens Shimeyama eine Baracke. Wir sammelten Schilf und Bambus, womit wir den Felsen verdeckten, und versteckten uns dort eine Weile.
Bald hörten wir das Gerücht, dass sich die Amerikaner aus Richtung Chinen und Yonabaru näherten, worauf wir uns eilig davonmachten, denn wir waren überzeugt, dass wir bei Gefangennahme getötet würden.
Vorübergehend kamen wir in einem Reetdachhaus in Funakoshi bei Tamagusuku unter, doch auch dieses wurde von den Kriegsschiffen beschossen. Wir entkamen nach draußen und versteckten uns in einem Felsen. Beinahe hätte es uns erwischt.
Danach dachten wir, wäre es am sichersten in Richtung des Kaps Kyan zu gehen, aber die Lage verschlechterte sich sogar noch.
Es muss der 6. oder 7. Juni gewesen sein, als durch einen Bombenangriff von Grumman-Jagdfliegern der Boden des Hauses, in dem wir uns versteckt hatten, in die Luft gesprengt wurde und Rauchschwaden aufstiegen. Ich ergriff die Hand meines Großvaters und wir flohen, ohne zu wissen, mit wem meine Mutter floh.
Ich versteckte mich in einem mit Steinplatten verdeckten Graben. Meinen Großvater aber ergriff die Angst und aus unerklärlichen Gründen ließ er meine Hand los, um in Richtung der vom Himmel stürzenden Bomben zu rennen. Er wurde wohl getroffen, denn er lag in der Ferne auf der Erde. Meine Mutter wollte vielleicht etwas aus dem Haus holen. In der Brust und an anderen Stellen getroffen, lag sie vor dem Hauseingang. Ich hatte meine Eltern verloren und konnte nicht aufhören zu weinen. Ab dem Zeitpunkt an war ich ganz alleine – ein Kriegswaisenkind.
Als ich nach Kyan ging, um Wasser zu schöpfen, sah ich viele tote Menschen. Eine Leiche schwamm im Wasserreservoir. Wahrscheinlich wurde die Person getroffen, als sie Wasser schöpfte. Sie war aufgeschwollen wie ein Luftballon und aus der Nase und dem Mund kamen die Maden heraus.
Eines Nachmittags schlug ein Geschoss eines Kriegsschiffs in der Nähe ein und sprengte die von uns aufgetürmten Steine weg. In meine rechte Schulter drang ein Bombensplitter ein, den ich nicht aus meinem Arm entfernen konnte. Deswegen ist mein rechter Arm kürzer und ich schreibe heute noch immer mit der linken Hand. Auch nach dem Krieg habe ich viel darunter gelitten.
Anschließend versteckte ich mich in einem Pferdestall, wo auch drei oder vier japanische Soldaten waren, von denen einer auf der Erde lag und rief: „Töte mich! Bitte töte mich!“ Ich fand es äußerst gefährlich, dass dieser Mann, der im Bauch getroffen wurde und dessen Eingeweide herausquollen, eine Handgranate besaß, weswegen ich ihm diese abnahm und wegwarf. Denn es wäre fatal gewesen, hätte dieser Verletzte die Handgranate genutzt, um sich umzubringen.
In dem Stall war auch ein Mädchen, wahrscheinlich vom Himeyuri-Schülertrupp.
Und dann, ich glaube es war der 21. Juni, hörte ich abends das mehrfache Knallen eines Gewehrs. Der Soldat hatte sich ermordet und das Mädchen schien eine Handgranate an ihrer Brust gezündet zu haben.
Ich befand mich in Kyan, als Flugblätter vom Himmel fielen. Sie waren von den Amerikanern und beinhalteten die Mitteilung: „Ergebt euch endlich“. Jemand sagte zu mir: „Die japanischen Soldaten erschießen dich, wenn du dieses Flugblatt bei dir trägst“, woraufhin ich erschrak und es wegschmiss.
Der Krieg war hart, denn ich fürchtete sowohl die US-Soldaten als auch unsere eigenen Truppen. In Kriegszeiten überleben nur die Stärkeren. Ich konnte einiges einfach nicht fassen, wie die später gehörte Geschichte von Menschen, die von ihren eigenen Truppen erschossen worden waren. Sobald man sich ergeben wollte, wurde man anscheinend von hinten erschossen.
(Rückblickend auf den Krieg)
Wenn der Krieg nicht gewesen wäre, hätten wir glücklich zusammengelebt.
Wir verdanken den heutigen Frieden den Kriegsopfern.
Es gibt eine „Lehre der Dankbarkeit zwischen Himmel, Erde und Mensch“ des großen Reformers Sontoku Ninomiya, die besagt, dass wir Menschen mithilfe der Natur und unterstützt durch unsere Mitmenschen leben, und daher ein Gefühl der Dankbarkeit in uns tragen sollten. Ich setze dies in meinem Leben um. Ich möchte nicht alleine glücklich sein, sondern mit allen zusammen. Nur mit solch einer Denkweise wird unsere Welt nicht zu Grunde gehen.
Fumio Shimabukuro (87)
(Geburtsort: Maejima, Naha-shi, Okinawa)
Damals träumten alle nur davon, Soldat zu werden. Auf der Mittelschule gab es einen Hauptmann namens Ōmasu. Sogar der Kaiser wusste von seinen hervorragenden Leistungen.
Ich war ein Kriegsjunge, der sich danach sehnte, zur Heeresoffiziersschule oder Kadettenschule zu gehen. Doch wegen den Kriegsvorbereitungen konnte ich nur ein Semester lang zur Mittelschule gehen.
Wir errichteten eine Stellung, um uns auf den Krieg vorzubereiten. Auf dem Flugplatz in Oroku bauten wir Bunker aus Erde, damit die Flugzeuge nicht entdeckt werden konnten. Außerdem haben wir Munition von den Bunkern nach Hantagawa gebracht, und im Hafen von Naha militärische Ausrüstung sortiert und transportiert.
(Vor den Luftangriffen)
Beim großen Luftangriff auf Okinawa am 10. Oktober 1944 hatten wir vorher keine Informationen darüber, daher ging ich morgens um 7 Uhr zu meinem Arbeitsplatz. Ich erschrak, weil die Sirenen ertönten und Bomber zu sehen waren, und war noch etwas verwirrt, als ein Offizier sein gezogenes Schwert herumschwenkte und rief: „Feindangriff! Feindangriff! Schnell, in die Bunker!“.
Ich war versteckt im Bunker, aber die Erschütterungen durch den Beschuss waren heftig und von der Decke kam Sand herab, sodass meine Beine vor Angst zitterten, denn so etwas erlebte ich zum ersten Mal.
(Die Flucht)
Von einem Tempel in Asato gingen wir nach Maeda in der Stadt Urasoe und fanden Unterschlupf bei Bekannten. Einige flüchteten auch weiter nach Norden. Da wir jedoch gehört hatten, dass es dort nichts zu essen gebe, lebten wir als Flüchtlinge in einem Bunker in Urasoe.
(Die US-Armee stürmt heran)
Am 1. April belagerten unzählige Kriegsschiffe das Meer vor Gusukuma bis Yomitan, als ob sie die ganze Insel verschlingen würden. Jederzeit würden sie angreifen.
Nach einer Weile flogen sogenannte „Libellen“, die Segelflugzeugen ähnlich sahen, durch die Luft und schienen mit den Kriegsschiffen zu kommunizieren, welche kurz darauf das Feuer eröffneten, wie bei einem Feuerwerk. So etwas hatte ich noch nie gesehen. Japan schoss lediglich einzelne Geschütze ab, aber die Amerikaner eröffneten geradezu ein Feuerwerk, welches direkt auf uns zukam. Meine Beine zitterten im Bunker.
Der Geburtstag des damaligen Kaisers, „Tenchōsetsu“ genannt, war am 29. April Ich erinnere mich, dass am Vorabend die Kriegsschiffe erneut das Feuer eröffneten. Wir gerieten unter Beschuss und unsere Grube stürzte ein. Der Bunker war nun verschlossen und stockdunkel. Nur ein klein wenig Licht fiel herein, da wir aber weder eine Schaufel noch irgendetwas hatten, räumten wir gemeinsam die mit kleinen Steinen übersäte Erde mit bloßen Händen aus dem Weg. Irgendwie schafften wir es hinaus und kamen mit dem Leben davon.
(Auf der Flucht)
Nach einigem Überlegen gingen wir nun mit unseren Töpfen von Takushi nach Taira in Shuri. Menschen lagen auf dem Weg und vom Gelände des ehemaligen Präfekturmuseums sahen wir die Burg Shuri in Flammen.
Da wir auf unserer Flucht kein Versteck fanden, öffneten wir Grabkammern und versteckten uns in ihnen. Dort gab es zwar viele Urnen von Verstorbenen, aber es war nicht an der Zeit, ängstlich zu sein, und manchmal schliefen wir sogar bei den Urnen.
Später bauten wir auf einem Hügel in Ōshiro an einem Felsen namens Shimeyama eine Baracke. Wir sammelten Schilf und Bambus, womit wir den Felsen verdeckten, und versteckten uns dort eine Weile.
Bald hörten wir das Gerücht, dass sich die Amerikaner aus Richtung Chinen und Yonabaru näherten, worauf wir uns eilig davonmachten, denn wir waren überzeugt, dass wir bei Gefangennahme getötet würden.
Vorübergehend kamen wir in einem Reetdachhaus in Funakoshi bei Tamagusuku unter, doch auch dieses wurde von den Kriegsschiffen beschossen. Wir entkamen nach draußen und versteckten uns in einem Felsen. Beinahe hätte es uns erwischt.
Danach dachten wir, wäre es am sichersten in Richtung des Kaps Kyan zu gehen, aber die Lage verschlechterte sich sogar noch.
Es muss der 6. oder 7. Juni gewesen sein, als durch einen Bombenangriff von Grumman-Jagdfliegern der Boden des Hauses, in dem wir uns versteckt hatten, in die Luft gesprengt wurde und Rauchschwaden aufstiegen. Ich ergriff die Hand meines Großvaters und wir flohen, ohne zu wissen, mit wem meine Mutter floh.
Ich versteckte mich in einem mit Steinplatten verdeckten Graben. Meinen Großvater aber ergriff die Angst und aus unerklärlichen Gründen ließ er meine Hand los, um in Richtung der vom Himmel stürzenden Bomben zu rennen. Er wurde wohl getroffen, denn er lag in der Ferne auf der Erde. Meine Mutter wollte vielleicht etwas aus dem Haus holen. In der Brust und an anderen Stellen getroffen, lag sie vor dem Hauseingang. Ich hatte meine Eltern verloren und konnte nicht aufhören zu weinen. Ab dem Zeitpunkt an war ich ganz alleine – ein Kriegswaisenkind.
Als ich nach Kyan ging, um Wasser zu schöpfen, sah ich viele tote Menschen. Eine Leiche schwamm im Wasserreservoir. Wahrscheinlich wurde die Person getroffen, als sie Wasser schöpfte. Sie war aufgeschwollen wie ein Luftballon und aus der Nase und dem Mund kamen die Maden heraus.
Eines Nachmittags schlug ein Geschoss eines Kriegsschiffs in der Nähe ein und sprengte die von uns aufgetürmten Steine weg. In meine rechte Schulter drang ein Bombensplitter ein, den ich nicht aus meinem Arm entfernen konnte. Deswegen ist mein rechter Arm kürzer und ich schreibe heute noch immer mit der linken Hand. Auch nach dem Krieg habe ich viel darunter gelitten.
Anschließend versteckte ich mich in einem Pferdestall, wo auch drei oder vier japanische Soldaten waren, von denen einer auf der Erde lag und rief: „Töte mich! Bitte töte mich!“ Ich fand es äußerst gefährlich, dass dieser Mann, der im Bauch getroffen wurde und dessen Eingeweide herausquollen, eine Handgranate besaß, weswegen ich ihm diese abnahm und wegwarf. Denn es wäre fatal gewesen, hätte dieser Verletzte die Handgranate genutzt, um sich umzubringen.
In dem Stall war auch ein Mädchen, wahrscheinlich vom Himeyuri-Schülertrupp.
Und dann, ich glaube es war der 21. Juni, hörte ich abends das mehrfache Knallen eines Gewehrs. Der Soldat hatte sich ermordet und das Mädchen schien eine Handgranate an ihrer Brust gezündet zu haben.
Ich befand mich in Kyan, als Flugblätter vom Himmel fielen. Sie waren von den Amerikanern und beinhalteten die Mitteilung: „Ergebt euch endlich“. Jemand sagte zu mir: „Die japanischen Soldaten erschießen dich, wenn du dieses Flugblatt bei dir trägst“, woraufhin ich erschrak und es wegschmiss.
Der Krieg war hart, denn ich fürchtete sowohl die US-Soldaten als auch unsere eigenen Truppen. In Kriegszeiten überleben nur die Stärkeren. Ich konnte einiges einfach nicht fassen, wie die später gehörte Geschichte von Menschen, die von ihren eigenen Truppen erschossen worden waren. Sobald man sich ergeben wollte, wurde man anscheinend von hinten erschossen.
(Rückblickend auf den Krieg)
Wenn der Krieg nicht gewesen wäre, hätten wir glücklich zusammengelebt.
Wir verdanken den heutigen Frieden den Kriegsopfern.
Es gibt eine „Lehre der Dankbarkeit zwischen Himmel, Erde und Mensch“ des großen Reformers Sontoku Ninomiya, die besagt, dass wir Menschen mithilfe der Natur und unterstützt durch unsere Mitmenschen leben, und daher ein Gefühl der Dankbarkeit in uns tragen sollten. Ich setze dies in meinem Leben um. Ich möchte nicht alleine glücklich sein, sondern mit allen zusammen. Nur mit solch einer Denkweise wird unsere Welt nicht zu Grunde gehen.