Fluchterfahrung in den Bergen von Davao, Philippinnen
“Fluchterfahrung in den Bergen von Davao, Philippinnen”
Yōichi Touma (81)
(Geburtsort: Davao, Philippinen)
Als der Krieg anfing, ging ich noch nicht zur Schule.
Ich war zu Kriegsbeginn sieben Jahre alt. Die philippinischen Arbeiter und Dienstpersonal, die damals im Geschäft meines Elternhauses arbeiteten, wurden plötzlich unruhig und riefen: „Jápon, Bomber, Bomber“. Mit Japón waren auf Spanisch die Japaner gemeint und Bomber bedeutete Bombenangriff.
Sie sagten, dass heute Morgen ein japanisches Flugzeug den Flughafen Lasang bombardiert hätte.
Es war der 8. Dezember. In der japanischen Siedlung, in der wir lebten, hielten es alle für gefährlich, in den eigenen Häusern zu bleiben und entschieden sich, zu fliehen. Da wir ein großes Geschäft namens „Ōsaka Bazar“ betrieben, hatten wir viele Mitarbeiter, die alle zusammenkamen, um dann gegen neun Uhr abends nach Einbruch der Dunkelheit in die japanische Manambulan-Schule zu fliehen. Alle japanischen Bewohner des Manambulan-Viertels hatten sich dort versammelt.
Am nächsten Morgen gegen zehn Uhr kamen die philippinischen Truppen und bedeuteten uns, dass Japaner von nun an in ein Lager kämen. Noch dazu sollten Männer und Frauen in getrennte Lager gebracht werden.
Ich hatte eine Großmutter, die an diesem Tag des Kriegsbeginns wegen einer Untersuchung im Mintal-Krankenhaus war, dort festgenommen wurde und nicht mehr heimkam.
Dann hieß es, dass wir in ein anderes Lager kämen und wurden in einem Lastwagen nach Santa Ana gebracht.
Nachdem wir dort ungefähr zwei Wochen verbracht hatten, kamen japanische Kampfflugzeuge zum Bombenangriff, aber es ging das Gerücht, dass sie notlanden mussten. Daraufhin wurde befohlen, dass Frauen und Kinder sicherheitshalber von Santa Ana nach Mintal gebracht werden sollen, also fuhren wir in einem Lastwagen nach Mintal.
Dort gab es ein großes japanisches Krankenhaus, in dem auch meine Großmutter war. Wir sahen uns das erste Mal seit zwei Wochen wieder und freuten uns gerade, als plötzlich die japanische Armee landete.
Dadurch wurden wir gerettet und befreit, und konnten wieder zurück in unser Zuhause.
In den nächsten zwei Jahren konnte ich hier sogar die Ausbildung der japanischen Volksschule genießen und dachte, dass es bestimmt keinen Krieg mehr geben würde. Doch alsbald wurde Saipan vernichtet und viele Überlebende flohen aus Saipan. Nach einer Weile gewannen die Amerikaner unter MacArthur wieder an Boden und betraten erneut philippinischen Boden, woraufhin wir in einen Dschungel, tief in die Berge flüchteten.
(Die Schule damals)
Die Grundschule konnte ich bis zur zweiten Volksschulklasse besuchen. Es gibt ein Lied namens „Gebäude aus Zedernholz“, welches zu Schulabschlussfeiern gesungen wird, und es war genau solche eine aus Zedernholz gebaute Schule. Da es sehr heiß war, waren die Böden erhöht, und darauf befanden sich die Klassenzimmer.
Ab der vierten oder fünften Klasse wurde ein sogenanntes militärisches Schülertraining durchgeführt. Da wir noch in den unteren Klassen waren, nahmen wir nicht teil. Ab der vierten Klasse wurde das Vorwärtsrobben geübt und alle krochen auf dem Bauch liegend auf dem Sportplatz.
Die Mädchen bekamen getrennt Unterricht, um Krankenpflegerinnen zu werden.
Morgens gab es in der Schule bei der allmorgendlichen Versammlung etwas, was sich Kyūjō-yōhai nannte. Nachdem „Kyūjō-yōhai“ gesagt wurde, verbeugten wir uns in Richtung Osten und beteten fünf Minuten zum Kaiser.
Ich fühlte mich damals wie ein Kriegsjunge aus einem Militärstaat und dachte der Kaiser sei der Größte.
Außerdem war ich Mitglied in der sogenannten „Großjapan-Jugend“. Da gab es folgenden Schlachtruf: „Die Jugend gleicht der Morgensonne – die neue, unsere Großjapan-Jugend“.
Nach einer Weile kam jedoch die gesamte Abe-Truppe mit all ihren Soldaten und belagerte unsere Schule, sodass nicht mehr unterrichtet werden konnte. Wir wechselten daher auf eine Zweigschule, wo die erste, zweite und dritte Klasse zusammengefügt wurden und ich als Drittklässler somit gemeinsam mit meinen kleinen Brüdern der ersten Klasse unterrichtet wurde. Es gab jedoch nur einen Lehrer. Aber auch dieser Schulalltag währte nicht lang.
Bald kamen Grumman-Kampfflieger angeflogen und feuerten mit Maschinengewehren auf uns. Als ich zu unserem ehemaligen Geschäft ging, war das Mitteilungsbrett durchlöchert und auch der Wassertank getroffen, so dass das ganze Wasser ausgelaufen war.
Danach kamen fast täglich B-24 Bomber. Ich schätze täglich ungefähr 200 Bomber. Ich sah die Bomben wie Regenschauer vom Himmel fallen. Der Flughafen Lasang wurde vollständig zerstört und auch Soldaten zogen sich allmählich mehr in Richtung der Berge zurück. Auch wir flüchteten in Richtung Dschungel, aber ich sah, dass auch hinter der Cogon-Ebene, einem weitflächigem und ebenem Grasland, bedeckt von schilfartigen Gräsern, die Granaten flogen.
Die Ebene als Ausgangspunkt standen im Dschungel Wegweiser mit der Beschriftung 1 km, danach 2 km. Die Vorhut des Ōsaka-Bazars hatte anscheinend diese Beschriftungen ins Holz geschnitzt.
Bei 16 km stand Großjapan-Militärpolizei geschrieben, daher dachte ich erleichtert: „Hier sollten wir endlich sicher sein“, aber uns wurde gesagt: „Geht noch tiefer in den Dschungel“, was wir dann auch taten. Meine beiden Schuhe waren kaputt und blieben dann irgendwo im Schlamm hängen.
Als es mich dann immer wieder juckte, merkte ich wie Blutegel an mir saugten. Im Schlaf dringen Blutegel sogar in die Augen ein. Einer Tante passierte dies und sie bekam ganz rote Augen.
Am 4-km-Punkt hatte die Ōsaka-Bazar-Gruppe ein Lager aufgeschlagen, wo sich zunächst alle versammelten.
Beobachtungsflugzeuge, die wie Segelflugzeuge aussahen, drehten ihre Runden und wenn man von ihnen entdeckt wurde, kamen auf jeden Fall Granaten geflogen. Dadurch sind viele umgekommen.
Wir befanden den 4-km-Punkt daher als zu gefährlich und zogen weiter. Am 8-km-, 10-km-, 16-km- und 20-km-Punkt hatte die Vorhut für die Zugehörigen des Ōsaka-Bazars Zufluchten eingerichtet. Von da an hatten wir aber nichts mehr zu essen und haben Blätter namens Dohalan gegessen, welche den Blättern von Lotuspflanzen ähnlich aussehen.
Ich machte mich auf, um Essbares zu finden, fand aber nirgends etwas und kam immer mit leeren Händen zurück. Eines Tages wurde ein vom Maschinengewehr getroffener Wasserbüffel, ein sogenannter Carabao, gefunden. Anscheinend stürzten sich alle auf das Tier und rangelten um das Fleisch. Als mein Vater und meine Großmutter dort ankamen, fanden sie nur noch Knochen vor, aber waren sogar für die Knochen dankbar, schnitten sie auseinander und brachten sie mit zurück.
Damals litten wir alle an völliger Unterernährung. Meine dreijährige kleine Schwester konnte nicht mehr gehen. Meine Mutter gab uns Kindern daraufhin jeweils ein Stückchen Rohzucker, den sie irgendwo versteckt hatte.
Wir hörten viele schreckliche Geschichten, zum Bespiel dass Kinder zurückgelassen wurden. Hinter dem 20-km-Punkt ging es einfach nicht mehr, so dass wir uns entschlossen zu kapitulieren. Auf dem Rückweg sahen wir ein kleines Kind tot auf seiner Mutter liegen. Am Wegrand lagen viele Leichen, auch von Soldaten. Wahrscheinlich sind sie verhungert, da es nichts zu essen gab. Am Flussufer lagen viele Leichen versammelt. Sie waren am Ende wahrscheinlich sehr durstig. Es war schrecklich, denn sie waren von Maden befallen. So etwas würde man vermutlich als ein Höllenbild bezeichnen.
Dann gab es auch solche, die noch ein bisschen Kraft übrig hatten und es wagten, den Toten ihre Schuhe abzunehmen und gegen die eigenen auszutauschen.
Nachdem wir ein Stück vorankamen, trafen wir auch auf Soldaten, die ihre Truppen verlassen hatten, nur mit einer Bauchbinde und einer Kriegsmütze bekleidet, nackt Erdnüsse aßen und drohten: „Gebt alles her, was ihr besitzt.“. Sie waren zu Räubern geworden.
Es muss um den 15. April herum gewesen sein, als amerikanische Flugzeuge über uns flogen und Flugblätter abwarfen. Diese Flugblätter funkelten wunderschön am Himmel, da Hunderte gleichzeitig abgeworfen worden waren. Ich las ein Flugblatt und es stand so etwas darauf geschrieben wie: „Ihr Jugendlichen, sterbt nicht umsonst!“. Es bedeutete, dass wir endlich kapitulieren sollen.
Trotzdem kamen keiner aus dem Dschungel. Weil alle dachten, dass wir umgebracht werden. Uns wurde nach dem Motto „Amerika und England sind Teufel“ immer beigebracht, dass amerikanische Soldaten Teufel seien, und dachten daher, dass wir bei Gefangennahme auf der Stelle getötet würden.
(Kapitulation)
Trotzdem verließen wir den Dschungel, um uns zu ergeben.
Nachdem wir einen Weg überquert hatten und noch ein Stück weitergingen, hörte ich ein Rascheln und fragte mich was das sein könnte, als plötzlich ein schwarzer Soldat in Tarnanzug von einer Farbe wie Manilahanf vor uns auftauchte.
Es war die vorderste Front der US-Armee und die Amerikaner hatten schon einen Basketballplatz errichtet und spielten dort. Es war zwar, glaube ich, schon ungefähr ein Monat seit Kriegsende vergangen, trotzdem wunderte ich mich über diese Gelassenheit.
Das erste Mal seit Monaten bekamen wir eine Mahlzeit, eine sogenannte Ration. Die Ration beinhaltete eine Wurst, Kaugummi, drei Zigaretten und vieles Verschiedenes.
Dann wurde ich in das Kriegsgefangenenlager von Daliaon gebracht und blieb dort ungefähr einen Monat. Da wir vorher mit Ausnahme der Gräser namens Dohalan nichts gegessen hatten und plötzlich die Rationen aßen, verdarben sich viele den Magen und ziemlich viele starben im Lager.
(Repatriierung)
Im Oktober des Jahres 1945 sollte ich nun endlich nach Japan repatriiert werden. Wir wurden auf einen Lastwagen geladen und an die Küste gebracht. Dort standen zwei oder drei Kriegsschiffe bereit, an dessen Bord wir gingen und nach Japan zurückgeschickt wurden.
Wir passierten auf unserer Route auch Leyte, wo wir nachts ankamen, und am nächsten Morgen sah ich, dass der Hafen von Leyte voll und ausschließlich mit amerikanischen Kriegsschiffen belagert war.
Von dort aus legten wir wieder nach Japan ab, aber unterwegs gab es einige, die an Bord starben. Immer wenn jemand ums Leben kam, gab es eine Art Trauerzeremonie, bei der das Musikkorps ein Trauerstück spielte und der Tote in eine Wolldecke von der Marine eingewickelt und im Meer versenkt wurde. Dann kreiste das Schiff einmal im Kreis um den Toten und nahm wieder die Fahrt nach Japan auf. Da wir dies oft wiederholten, waren bestimmt um die zwei Wochen vergangen bis wir in Kagoshima eintrafen.
(Rückblickend auf den Krieg)
Mit Waffengewalt kann zwar das Innere des Herzens nicht verändert werden, aber wohl kann mit ihr geherrscht werden.
Das Innere des Herzens kann zwar nicht beherrscht werden, aber das Leben kann beherrscht werden.
Damals glaubte ich als Kriegsjunge ohne jeden Zweifel, dass Krieg etwas Selbstverständliches sei.
Es ist ungeheuerlich, zu was Erziehung in der Lage ist.
Yōichi Touma (81)
(Geburtsort: Davao, Philippinen)
Als der Krieg anfing, ging ich noch nicht zur Schule.
Ich war zu Kriegsbeginn sieben Jahre alt. Die philippinischen Arbeiter und Dienstpersonal, die damals im Geschäft meines Elternhauses arbeiteten, wurden plötzlich unruhig und riefen: „Jápon, Bomber, Bomber“. Mit Japón waren auf Spanisch die Japaner gemeint und Bomber bedeutete Bombenangriff.
Sie sagten, dass heute Morgen ein japanisches Flugzeug den Flughafen Lasang bombardiert hätte.
Es war der 8. Dezember. In der japanischen Siedlung, in der wir lebten, hielten es alle für gefährlich, in den eigenen Häusern zu bleiben und entschieden sich, zu fliehen. Da wir ein großes Geschäft namens „Ōsaka Bazar“ betrieben, hatten wir viele Mitarbeiter, die alle zusammenkamen, um dann gegen neun Uhr abends nach Einbruch der Dunkelheit in die japanische Manambulan-Schule zu fliehen. Alle japanischen Bewohner des Manambulan-Viertels hatten sich dort versammelt.
Am nächsten Morgen gegen zehn Uhr kamen die philippinischen Truppen und bedeuteten uns, dass Japaner von nun an in ein Lager kämen. Noch dazu sollten Männer und Frauen in getrennte Lager gebracht werden.
Ich hatte eine Großmutter, die an diesem Tag des Kriegsbeginns wegen einer Untersuchung im Mintal-Krankenhaus war, dort festgenommen wurde und nicht mehr heimkam.
Dann hieß es, dass wir in ein anderes Lager kämen und wurden in einem Lastwagen nach Santa Ana gebracht.
Nachdem wir dort ungefähr zwei Wochen verbracht hatten, kamen japanische Kampfflugzeuge zum Bombenangriff, aber es ging das Gerücht, dass sie notlanden mussten. Daraufhin wurde befohlen, dass Frauen und Kinder sicherheitshalber von Santa Ana nach Mintal gebracht werden sollen, also fuhren wir in einem Lastwagen nach Mintal.
Dort gab es ein großes japanisches Krankenhaus, in dem auch meine Großmutter war. Wir sahen uns das erste Mal seit zwei Wochen wieder und freuten uns gerade, als plötzlich die japanische Armee landete.
Dadurch wurden wir gerettet und befreit, und konnten wieder zurück in unser Zuhause.
In den nächsten zwei Jahren konnte ich hier sogar die Ausbildung der japanischen Volksschule genießen und dachte, dass es bestimmt keinen Krieg mehr geben würde. Doch alsbald wurde Saipan vernichtet und viele Überlebende flohen aus Saipan. Nach einer Weile gewannen die Amerikaner unter MacArthur wieder an Boden und betraten erneut philippinischen Boden, woraufhin wir in einen Dschungel, tief in die Berge flüchteten.
(Die Schule damals)
Die Grundschule konnte ich bis zur zweiten Volksschulklasse besuchen. Es gibt ein Lied namens „Gebäude aus Zedernholz“, welches zu Schulabschlussfeiern gesungen wird, und es war genau solche eine aus Zedernholz gebaute Schule. Da es sehr heiß war, waren die Böden erhöht, und darauf befanden sich die Klassenzimmer.
Ab der vierten oder fünften Klasse wurde ein sogenanntes militärisches Schülertraining durchgeführt. Da wir noch in den unteren Klassen waren, nahmen wir nicht teil. Ab der vierten Klasse wurde das Vorwärtsrobben geübt und alle krochen auf dem Bauch liegend auf dem Sportplatz.
Die Mädchen bekamen getrennt Unterricht, um Krankenpflegerinnen zu werden.
Morgens gab es in der Schule bei der allmorgendlichen Versammlung etwas, was sich Kyūjō-yōhai nannte. Nachdem „Kyūjō-yōhai“ gesagt wurde, verbeugten wir uns in Richtung Osten und beteten fünf Minuten zum Kaiser.
Ich fühlte mich damals wie ein Kriegsjunge aus einem Militärstaat und dachte der Kaiser sei der Größte.
Außerdem war ich Mitglied in der sogenannten „Großjapan-Jugend“. Da gab es folgenden Schlachtruf: „Die Jugend gleicht der Morgensonne – die neue, unsere Großjapan-Jugend“.
Nach einer Weile kam jedoch die gesamte Abe-Truppe mit all ihren Soldaten und belagerte unsere Schule, sodass nicht mehr unterrichtet werden konnte. Wir wechselten daher auf eine Zweigschule, wo die erste, zweite und dritte Klasse zusammengefügt wurden und ich als Drittklässler somit gemeinsam mit meinen kleinen Brüdern der ersten Klasse unterrichtet wurde. Es gab jedoch nur einen Lehrer. Aber auch dieser Schulalltag währte nicht lang.
Bald kamen Grumman-Kampfflieger angeflogen und feuerten mit Maschinengewehren auf uns. Als ich zu unserem ehemaligen Geschäft ging, war das Mitteilungsbrett durchlöchert und auch der Wassertank getroffen, so dass das ganze Wasser ausgelaufen war.
Danach kamen fast täglich B-24 Bomber. Ich schätze täglich ungefähr 200 Bomber. Ich sah die Bomben wie Regenschauer vom Himmel fallen. Der Flughafen Lasang wurde vollständig zerstört und auch Soldaten zogen sich allmählich mehr in Richtung der Berge zurück. Auch wir flüchteten in Richtung Dschungel, aber ich sah, dass auch hinter der Cogon-Ebene, einem weitflächigem und ebenem Grasland, bedeckt von schilfartigen Gräsern, die Granaten flogen.
Die Ebene als Ausgangspunkt standen im Dschungel Wegweiser mit der Beschriftung 1 km, danach 2 km. Die Vorhut des Ōsaka-Bazars hatte anscheinend diese Beschriftungen ins Holz geschnitzt.
Bei 16 km stand Großjapan-Militärpolizei geschrieben, daher dachte ich erleichtert: „Hier sollten wir endlich sicher sein“, aber uns wurde gesagt: „Geht noch tiefer in den Dschungel“, was wir dann auch taten. Meine beiden Schuhe waren kaputt und blieben dann irgendwo im Schlamm hängen.
Als es mich dann immer wieder juckte, merkte ich wie Blutegel an mir saugten. Im Schlaf dringen Blutegel sogar in die Augen ein. Einer Tante passierte dies und sie bekam ganz rote Augen.
Am 4-km-Punkt hatte die Ōsaka-Bazar-Gruppe ein Lager aufgeschlagen, wo sich zunächst alle versammelten.
Beobachtungsflugzeuge, die wie Segelflugzeuge aussahen, drehten ihre Runden und wenn man von ihnen entdeckt wurde, kamen auf jeden Fall Granaten geflogen. Dadurch sind viele umgekommen.
Wir befanden den 4-km-Punkt daher als zu gefährlich und zogen weiter. Am 8-km-, 10-km-, 16-km- und 20-km-Punkt hatte die Vorhut für die Zugehörigen des Ōsaka-Bazars Zufluchten eingerichtet. Von da an hatten wir aber nichts mehr zu essen und haben Blätter namens Dohalan gegessen, welche den Blättern von Lotuspflanzen ähnlich aussehen.
Ich machte mich auf, um Essbares zu finden, fand aber nirgends etwas und kam immer mit leeren Händen zurück. Eines Tages wurde ein vom Maschinengewehr getroffener Wasserbüffel, ein sogenannter Carabao, gefunden. Anscheinend stürzten sich alle auf das Tier und rangelten um das Fleisch. Als mein Vater und meine Großmutter dort ankamen, fanden sie nur noch Knochen vor, aber waren sogar für die Knochen dankbar, schnitten sie auseinander und brachten sie mit zurück.
Damals litten wir alle an völliger Unterernährung. Meine dreijährige kleine Schwester konnte nicht mehr gehen. Meine Mutter gab uns Kindern daraufhin jeweils ein Stückchen Rohzucker, den sie irgendwo versteckt hatte.
Wir hörten viele schreckliche Geschichten, zum Bespiel dass Kinder zurückgelassen wurden. Hinter dem 20-km-Punkt ging es einfach nicht mehr, so dass wir uns entschlossen zu kapitulieren. Auf dem Rückweg sahen wir ein kleines Kind tot auf seiner Mutter liegen. Am Wegrand lagen viele Leichen, auch von Soldaten. Wahrscheinlich sind sie verhungert, da es nichts zu essen gab. Am Flussufer lagen viele Leichen versammelt. Sie waren am Ende wahrscheinlich sehr durstig. Es war schrecklich, denn sie waren von Maden befallen. So etwas würde man vermutlich als ein Höllenbild bezeichnen.
Dann gab es auch solche, die noch ein bisschen Kraft übrig hatten und es wagten, den Toten ihre Schuhe abzunehmen und gegen die eigenen auszutauschen.
Nachdem wir ein Stück vorankamen, trafen wir auch auf Soldaten, die ihre Truppen verlassen hatten, nur mit einer Bauchbinde und einer Kriegsmütze bekleidet, nackt Erdnüsse aßen und drohten: „Gebt alles her, was ihr besitzt.“. Sie waren zu Räubern geworden.
Es muss um den 15. April herum gewesen sein, als amerikanische Flugzeuge über uns flogen und Flugblätter abwarfen. Diese Flugblätter funkelten wunderschön am Himmel, da Hunderte gleichzeitig abgeworfen worden waren. Ich las ein Flugblatt und es stand so etwas darauf geschrieben wie: „Ihr Jugendlichen, sterbt nicht umsonst!“. Es bedeutete, dass wir endlich kapitulieren sollen.
Trotzdem kamen keiner aus dem Dschungel. Weil alle dachten, dass wir umgebracht werden. Uns wurde nach dem Motto „Amerika und England sind Teufel“ immer beigebracht, dass amerikanische Soldaten Teufel seien, und dachten daher, dass wir bei Gefangennahme auf der Stelle getötet würden.
(Kapitulation)
Trotzdem verließen wir den Dschungel, um uns zu ergeben.
Nachdem wir einen Weg überquert hatten und noch ein Stück weitergingen, hörte ich ein Rascheln und fragte mich was das sein könnte, als plötzlich ein schwarzer Soldat in Tarnanzug von einer Farbe wie Manilahanf vor uns auftauchte.
Es war die vorderste Front der US-Armee und die Amerikaner hatten schon einen Basketballplatz errichtet und spielten dort. Es war zwar, glaube ich, schon ungefähr ein Monat seit Kriegsende vergangen, trotzdem wunderte ich mich über diese Gelassenheit.
Das erste Mal seit Monaten bekamen wir eine Mahlzeit, eine sogenannte Ration. Die Ration beinhaltete eine Wurst, Kaugummi, drei Zigaretten und vieles Verschiedenes.
Dann wurde ich in das Kriegsgefangenenlager von Daliaon gebracht und blieb dort ungefähr einen Monat. Da wir vorher mit Ausnahme der Gräser namens Dohalan nichts gegessen hatten und plötzlich die Rationen aßen, verdarben sich viele den Magen und ziemlich viele starben im Lager.
(Repatriierung)
Im Oktober des Jahres 1945 sollte ich nun endlich nach Japan repatriiert werden. Wir wurden auf einen Lastwagen geladen und an die Küste gebracht. Dort standen zwei oder drei Kriegsschiffe bereit, an dessen Bord wir gingen und nach Japan zurückgeschickt wurden.
Wir passierten auf unserer Route auch Leyte, wo wir nachts ankamen, und am nächsten Morgen sah ich, dass der Hafen von Leyte voll und ausschließlich mit amerikanischen Kriegsschiffen belagert war.
Von dort aus legten wir wieder nach Japan ab, aber unterwegs gab es einige, die an Bord starben. Immer wenn jemand ums Leben kam, gab es eine Art Trauerzeremonie, bei der das Musikkorps ein Trauerstück spielte und der Tote in eine Wolldecke von der Marine eingewickelt und im Meer versenkt wurde. Dann kreiste das Schiff einmal im Kreis um den Toten und nahm wieder die Fahrt nach Japan auf. Da wir dies oft wiederholten, waren bestimmt um die zwei Wochen vergangen bis wir in Kagoshima eintrafen.
(Rückblickend auf den Krieg)
Mit Waffengewalt kann zwar das Innere des Herzens nicht verändert werden, aber wohl kann mit ihr geherrscht werden.
Das Innere des Herzens kann zwar nicht beherrscht werden, aber das Leben kann beherrscht werden.
Damals glaubte ich als Kriegsjunge ohne jeden Zweifel, dass Krieg etwas Selbstverständliches sei.
Es ist ungeheuerlich, zu was Erziehung in der Lage ist.