Von vielen Menschen bei der Flucht unterstützt, von der Familie getrennt – Man muss zu den Dingen stehen, die man für richtig hält –
Von vielen Menschen bei der Flucht unterstützt, von der Familie getrennt
– Man muss zu den Dingen stehen, die man für richtig hält –
Zeuge: Kayoko Tamanaha (09玉那覇香代子)
Geboren am: 20. Februar 1934
Geburtsort: Onaga, Nishihara
Damaliges Alter: 11 Jahre
■ Ich wurde in Onaga geboren, in der Stadt Nishihara. Damals ging ich zur Grundschule. Ich erlebte den Luftangriff am 10. Oktober mit, weil ich nicht ohne meine Familie nach Kunigami flüchten wollte.
Nach dem Luftangriff vom 10. Oktober fielen immer wieder Bomben und Granaten, bis etwa zum April. In diesem April gab es keine Feiern zu Beginn des neuen Schuljahres, da sämtliche Schulen von Soldaten besetzt waren. Ich ging damals in einem Ort namens Amuro zur Schule, nicht weit von meinem Geburtsort in Onaga. Etwa eine Woche später heulten die Sirenen und kündigten einen Luftangriff nahe Yonabaru an. Als wir die Sirenen hörten, machten wir uns alle von Amuro auf den Weg zu einem Luftschutzbunker in Onaga. Bei unserer Flucht sagte der Lehrer zu uns: „Bleibt auf dem Weg zum Bunker möglichst immer unter den Bäumen. Rennt durch die Zuckerrohrfelder. Haltet euch von den Hauptstraßen fern, da schießen die US-Soldaten auf euch. Merkt euch das gut. Also dann, nehmt euch eure Taschen und dann nichts wie weg!“ Wir rannten aus der Schule, aber als wir fast am Bunker angekommen waren, schossen sie schon mit Maschinengewehren auf uns. Ratatatatatatata!, überall. Wie durch ein Wunder wurde ich nicht getroffen.
Als die Nacht kam und Entwarnung gegeben wurde, unterhielten wir uns leise miteinander. Wir fragten uns, ob wir nicht einfach endlich wieder nach Hause gehen konnten. Also verließen wir den Bunker und machten uns auf den Weg nach Hause. Als ich zu Hause ankam, kochte mein Vater gerade das Essen für den nächsten Tag.
Er kochte Kartoffeln und Bohnen für den nächsten Tag. So konnten wir am nächsten Morgen, als die Sirenen vor dem nächsten Luftangriff warnten, wenigstens etwas zu essen mit auf den Weg nehmen.
Diesmal kam der Angriff aus der Nähe der Kudakajima-Insel, es zischte und krachte, zischte und krachte. Eine Granate schlug direkt in das Erdloch neben uns ein.
■ Meine Freunde waren in diesem Erdloch. Flucht nach Shimajiri
Ich sah die zerrissenen Überreste meiner Freunde, aber ich konnte nicht einmal weinen. In diesem Moment konnte ich nur versuchen, mein Leben zu retten. „Meine armen Freunde. Nur ein Erdloch weiter. Es ist so traurig.“ Mehr spürte ich damals nicht. Wir mussten einfach nur weg.
■ Ein Bombenangriff tötete meine kleine Schwester, als sie sich in einer kleinen Hütte bei Shimajiri versteckte, zu der wir geflohen waren.
„Papa, meine kleine Schwester sagt nichts mehr. Und sie blutet so.“ Mein Vater nahm den meine Schwester auf den Arm, beerdigte sie dann in einem Loch gleich hinter der Hütte. „Es tut mir so leid, Tsuruko.“ Das war alles, was ich sagen konnte. Ich hatte einfach keine Tränen mehr. Wir hatten alle Hände voll damit zu tun, selbst am Leben zu bleiben.
Mein älterer Bruder kehrte vom Volkssturm zurück, mit Schusswunden am Fuß und am Arm.
Am Tag danach sah ich, dass die Wunden voller Maden waren. Also nahm ich ein Büschel Gras und bürstete die Maden von ihm ab. Am nächsten Morgen war er wieder voller Maden. Ich bürstete sie wieder ab.
■ Flucht aus der Hütte, als die US-Streitkräfte wieder angriffen
Ich musste meiner kleinen Schwester noch Lebewohl sagen. Aufgrund der Schussverletzung am Fuss konnte mein Bruder kaum laufen. Mein Vater stützte ihn und wir gingen los. Unterwegs sagte mein Vater: „Lauf zu unseren Verwandten vor. Und schau nicht zurück auf deinen Vater und deinen Bruder . Los, beeil dich!“. Ich tat, was er sagte. Ich trug nur meine Sachen. Plötzlich zischte es durch die Luft, eine Schiffsgranate schlug zwischen mir und meinem Bruder ein. Ich sah meinen Vater und meinen Bruder nicht mehr. Ich rannte nur so schnell ich konnte, verlor dabei meine Familie aus den Augen. Irgendwann merkte ich, dass alleine war . All meine Verwandten waren verschwunden, ich wusste nicht, wohin sie geflüchtet waren. Ich war ganz allein.
■ Eine ältere Frau, die ich kannte, war bei einem Pferdestall ganz in der Nähe; gemeinsam stiegen wir den Berg hinauf.
Ich beschloss, mit dieser Frau auf den Berg zu gehen. Bevor wir oben waren, wurde der Pferdestall durch eine Bombe zerstört. Im Pferdestall waren acht Familien aus Onaga. Niemand überlebte.
Alle Kinder der Frau wurden in diesem Pferdestall getötet. Ich erinnere mich noch daran, wie sie den Berg wieder hinabrannte, dabei immer wieder die Namen ihrer Kinder, Toshiko und Jiro, rief, nicht fassen konnte, was eben geschehen war. Auch heute höre ich noch ihre Stimme, als sie den Berg zu hinunterrannte zu der Stelle, wo vorher der Pferdestall gestanden hatte.
Als ich weiterging, sah ich einen weiteren Pferdestall.
Als ich mich dem Stall näherte, fand ich dort einen Soldaten: „Bitte gib mir etwas Wasser, nur ein bisschen Wasser.“, bat er mich. „Aber ich habe doch nichts, mit dem ich Wasser schöpfen könnte. Warum fragt er ausgerechnet mich nach Wasser?“, dachte ich. Ich riss ein paar Blätter einer Taropflanze ab, wollte dem Soldaten damit etwas Wasser holen, als jemand zu mir sagte: „Wenn du einem verletzten Soldaten Wasser gibst, stirbt er. Gib ihm kein Wasser.“ „Aber ich brauche Wasser, oh Mutter, bitte gib mir Wasser.“, hörte ich ihn sagen. Aber ich konnte ihm kein Wasser geben.
Auch dieser Stall wurde von einer Bombe getroffen, ich wurde auf den Boden geworfen, unter einem schweren Brett eingeklemmt. Ich kann mich seltsamerweise daran erinnern, wie ich „Helft mir! Helft mir!“ schrie und dass plötzlich Herr Giko Yonamine, mein Lehrer aus der dritten Klasse, bei mir war. „He, das bist ja du, Kayobo (mein Spitzname)!", sagte er und zog das Brett von mir herunter. „Jetzt komm, komm einfach hinter mir her.“, sagte er. „Jawohl, HerrYonamine“, sagte ich.
„Sag niemanden, dass ich Lehrer bin. Wenn jemand erfährt, dass ich Lehrer bin, könnten sie mich verhaften. Also sag einfach, dass ich dein Großvater bin“, sagte er. „Ja, gut “, antwortete ich, dann folgte ich ihm.
■ Als ich von meinem Lehrer getrennt wurde und wieder alleine war, musste ich mich ausruhen, weil mir der Bauch so weh tat. Eine nette Frau fand mich.
„Mir tut der Bauch so weh“, jammerte ich. „Tut es da weh?“, fragte sie mich. „Du hast bestimmt schon lange nichts mehr gegessen. Kein Wunder, dass dir der Bauch wehtut.“ Dann gab sie mir ein Stück Zuckerrohr. Ich sollte mich auf die Seite legen, sie klopfte mir auf den Rücken, um so etwas gegen die Schmerzen zu tun. Tapp, tapp, tapp, tapp, tapp klopfte es auf meinen Rücken, bis es plötzlich aufhörte. Sie war von einer Kugel tödlich getroffen worden. Die Frau hatte eine Tochter und einen Sohn. Tochter und Sohn weinten, schrien. „Was ist mit dir, Mama, Mama?!“ Ich konnte dort nicht bleiben und mitweinen, also rannte ich weg.
■ Ich traf meinen Lehrer wieder, wir versteckten uns in einem Erdloch bei Kiyan-misaki im Vorgebirge. Ein amerikanischer Soldat forderte mich auf, das Erdloch zu verlassen. „Sie töten keine Kinder“, sagte mein Lehrer, also ging ich.
Der amerikanische Soldat brüllte so etwas wie „Come on, come on!“ Mein Lehrer, Herr Giko, sagte mir, ich solle nach draußen gehen, weil der Soldat brüllte „Come on!“. „Nein“, sagte ich, „ich gehe da nicht raus. Wenn ich rausgehe, bringen sie mich um.“ „Nein“, sagte mein Lehrer, „sie werden dir nichts tun. Sie töten keine Kinder, also geh. Willst du etwa nicht auf deinen Lehrer hören?“, fragte er mich. Also sagte ich „Jawohl, Herr Giko, ich gehe“, nahm meine Sachen und ging aus dem Erdloch.
Als ich draußen war, sagten sie zu mir: „Hier hast du ein bisschen Schokolade, nimm schon.“. Aber ich wollte zuerst nichts davon essen. Sie fragten mich, ob noch viele Leute in dem Erdloch waren. „Ja“, sagte ich, „da sind noch viele. Da sind ganz viele Leute drin.“ „Dann musst du diesen Leuten sagen, dass sie rauskommen sollen. Wenn Sie nicht herauskommen, werden wir auf sie schießen. Dann sterben sie alle. Willst du, dass sie alle sterben?“ Es war ein japanischstämmige Amerikaner der zweiten Generation aus Hawaii, der mit mir sprach. „Nein, ich will, dass sie leben“, antwortete ich ihm. „Dann musst du den Leuten in dem Erdoch sagen, dass sie herauskommen sollen. Sie können entweder herauskommen oder sterben, ganz wie sie wollen. Aber ich rate jedem, lieber herauszukommen!“, sagte er zu mir. Also sagte ich: „Herr Giko, sie sagen, dass sie in das Erdloch schießen, wenn ihr nicht herauskommt. Wollen Sie, dass sie schießen?“ Herr Giko fragte mich: „Was sind das für Leute da draußen?“ Ich antwortete ihm: „Hier sind ein halb verbrannter Mann und ein japanischer Soldat, der mir sagt, dass ich etwas essen soll. Aber ich habe nichts gegessen, ich warte. Ich werde erst dann essen, wenn alle draußen sind.“ „Kommen Sie heraus, Herr Giko. Sie sagen, dass sie schießen, also kommen Sie heraus!“, bat ich. Alle aus dem Unterschlupf heraus, mit erhobenen Händen. Die Menschen, die herauskamen, stammten aus den Dörfern Tsuha, Nago, Goya und Kohatsu. Niemand war aus Onaga, ich war die Einzige. Ich war so traurig.
■ Als Kriegsgefangene nach Adaniya in Nakagusuku deportiert
Nach einer Weile kümmerten sich meine Mitgefangenen rührend um mich. „Du bleibst bei uns, Kayoko. Zieh die dreckigen Sachen aus, damit ich sie waschen kann. Ich leihe dir solange etwas von mir zum Anziehen, also bleib einfach hier“ Sie halfen mir und brachten mir vieles bei. Ich musste mir keine Gedanken um etwas zu essen oder um einen Schlafplatz machen, all die älteren Frauen kümmerten sich um mich.
Es war eine Welt voller Leid, in der wir damals lebten. So lange wir leben, beten wir um Frieden. Daran hat sich nichts geändert.
■ Bruder und Vater gerettet und als Gefangene nach Hawaii deportiert, wo ich sie wiedertraf.
Mein Bruder und mein Vater wurden gefangengenommen und anschließend nach Hawaii gebracht. Mein Vater und mein Bruder rechneten damit, auf der Überfahrt nach Hawaii getötet zu werden, aber zum Glück kam es anders. Als sie auf Hawaii ankamen, trafen sie dort viele Menschen, die ebenfalls aus Onaga stammten. Eine Menge Leute vom Okinawa-Präfekturverband (kenjinkai) auf Hawaii kamen zusammen uns sagten zu ihnen: „Ihr seid nach Hawaii gekommen und ward nicht am Krieg beteiligt. Das ist sehr bewundernswert“, sagten sie und begrüßten alle.
Und so waren mein Vater, mein Bruder und ich endlich wieder zusammen. Als ich wieder in meine Heimat Onaga zurückkehrte, waren 68 % dess Dorfs zerstört. Onaga hatte die meisten Todesopfer der gesamten Gegend um Nishihara zu beklagen.
Unter den Überlebenden war ich die Einzige ohne Narben. Ich hatte nicht die kleinste Schramme. Alle anderen sprachen darüber, wo sie getroffen wurden, wie ihnen das Ohr abgerissen, ihnen in den Rücken geschossen wurde und so weiter. Aber sie hatten überlebt. Die körperlichen Verletzungen sind verheilt..
■ Ein Wort an jüngere Generationen
Die Zeit des Krieges ist vorbei, es ist gut, dass wir lernen, in Frieden zu leben. Wenn ein Krieg erst einmal ausbricht, ist es bereits zu spät. Daher müssen wir uns immer für Frieden einsetzen.
– Man muss zu den Dingen stehen, die man für richtig hält –
Zeuge: Kayoko Tamanaha (09玉那覇香代子)
Geboren am: 20. Februar 1934
Geburtsort: Onaga, Nishihara
Damaliges Alter: 11 Jahre
■ Ich wurde in Onaga geboren, in der Stadt Nishihara. Damals ging ich zur Grundschule. Ich erlebte den Luftangriff am 10. Oktober mit, weil ich nicht ohne meine Familie nach Kunigami flüchten wollte.
Nach dem Luftangriff vom 10. Oktober fielen immer wieder Bomben und Granaten, bis etwa zum April. In diesem April gab es keine Feiern zu Beginn des neuen Schuljahres, da sämtliche Schulen von Soldaten besetzt waren. Ich ging damals in einem Ort namens Amuro zur Schule, nicht weit von meinem Geburtsort in Onaga. Etwa eine Woche später heulten die Sirenen und kündigten einen Luftangriff nahe Yonabaru an. Als wir die Sirenen hörten, machten wir uns alle von Amuro auf den Weg zu einem Luftschutzbunker in Onaga. Bei unserer Flucht sagte der Lehrer zu uns: „Bleibt auf dem Weg zum Bunker möglichst immer unter den Bäumen. Rennt durch die Zuckerrohrfelder. Haltet euch von den Hauptstraßen fern, da schießen die US-Soldaten auf euch. Merkt euch das gut. Also dann, nehmt euch eure Taschen und dann nichts wie weg!“ Wir rannten aus der Schule, aber als wir fast am Bunker angekommen waren, schossen sie schon mit Maschinengewehren auf uns. Ratatatatatatata!, überall. Wie durch ein Wunder wurde ich nicht getroffen.
Als die Nacht kam und Entwarnung gegeben wurde, unterhielten wir uns leise miteinander. Wir fragten uns, ob wir nicht einfach endlich wieder nach Hause gehen konnten. Also verließen wir den Bunker und machten uns auf den Weg nach Hause. Als ich zu Hause ankam, kochte mein Vater gerade das Essen für den nächsten Tag.
Er kochte Kartoffeln und Bohnen für den nächsten Tag. So konnten wir am nächsten Morgen, als die Sirenen vor dem nächsten Luftangriff warnten, wenigstens etwas zu essen mit auf den Weg nehmen.
Diesmal kam der Angriff aus der Nähe der Kudakajima-Insel, es zischte und krachte, zischte und krachte. Eine Granate schlug direkt in das Erdloch neben uns ein.
■ Meine Freunde waren in diesem Erdloch. Flucht nach Shimajiri
Ich sah die zerrissenen Überreste meiner Freunde, aber ich konnte nicht einmal weinen. In diesem Moment konnte ich nur versuchen, mein Leben zu retten. „Meine armen Freunde. Nur ein Erdloch weiter. Es ist so traurig.“ Mehr spürte ich damals nicht. Wir mussten einfach nur weg.
■ Ein Bombenangriff tötete meine kleine Schwester, als sie sich in einer kleinen Hütte bei Shimajiri versteckte, zu der wir geflohen waren.
„Papa, meine kleine Schwester sagt nichts mehr. Und sie blutet so.“ Mein Vater nahm den meine Schwester auf den Arm, beerdigte sie dann in einem Loch gleich hinter der Hütte. „Es tut mir so leid, Tsuruko.“ Das war alles, was ich sagen konnte. Ich hatte einfach keine Tränen mehr. Wir hatten alle Hände voll damit zu tun, selbst am Leben zu bleiben.
Mein älterer Bruder kehrte vom Volkssturm zurück, mit Schusswunden am Fuß und am Arm.
Am Tag danach sah ich, dass die Wunden voller Maden waren. Also nahm ich ein Büschel Gras und bürstete die Maden von ihm ab. Am nächsten Morgen war er wieder voller Maden. Ich bürstete sie wieder ab.
■ Flucht aus der Hütte, als die US-Streitkräfte wieder angriffen
Ich musste meiner kleinen Schwester noch Lebewohl sagen. Aufgrund der Schussverletzung am Fuss konnte mein Bruder kaum laufen. Mein Vater stützte ihn und wir gingen los. Unterwegs sagte mein Vater: „Lauf zu unseren Verwandten vor. Und schau nicht zurück auf deinen Vater und deinen Bruder . Los, beeil dich!“. Ich tat, was er sagte. Ich trug nur meine Sachen. Plötzlich zischte es durch die Luft, eine Schiffsgranate schlug zwischen mir und meinem Bruder ein. Ich sah meinen Vater und meinen Bruder nicht mehr. Ich rannte nur so schnell ich konnte, verlor dabei meine Familie aus den Augen. Irgendwann merkte ich, dass alleine war . All meine Verwandten waren verschwunden, ich wusste nicht, wohin sie geflüchtet waren. Ich war ganz allein.
■ Eine ältere Frau, die ich kannte, war bei einem Pferdestall ganz in der Nähe; gemeinsam stiegen wir den Berg hinauf.
Ich beschloss, mit dieser Frau auf den Berg zu gehen. Bevor wir oben waren, wurde der Pferdestall durch eine Bombe zerstört. Im Pferdestall waren acht Familien aus Onaga. Niemand überlebte.
Alle Kinder der Frau wurden in diesem Pferdestall getötet. Ich erinnere mich noch daran, wie sie den Berg wieder hinabrannte, dabei immer wieder die Namen ihrer Kinder, Toshiko und Jiro, rief, nicht fassen konnte, was eben geschehen war. Auch heute höre ich noch ihre Stimme, als sie den Berg zu hinunterrannte zu der Stelle, wo vorher der Pferdestall gestanden hatte.
Als ich weiterging, sah ich einen weiteren Pferdestall.
Als ich mich dem Stall näherte, fand ich dort einen Soldaten: „Bitte gib mir etwas Wasser, nur ein bisschen Wasser.“, bat er mich. „Aber ich habe doch nichts, mit dem ich Wasser schöpfen könnte. Warum fragt er ausgerechnet mich nach Wasser?“, dachte ich. Ich riss ein paar Blätter einer Taropflanze ab, wollte dem Soldaten damit etwas Wasser holen, als jemand zu mir sagte: „Wenn du einem verletzten Soldaten Wasser gibst, stirbt er. Gib ihm kein Wasser.“ „Aber ich brauche Wasser, oh Mutter, bitte gib mir Wasser.“, hörte ich ihn sagen. Aber ich konnte ihm kein Wasser geben.
Auch dieser Stall wurde von einer Bombe getroffen, ich wurde auf den Boden geworfen, unter einem schweren Brett eingeklemmt. Ich kann mich seltsamerweise daran erinnern, wie ich „Helft mir! Helft mir!“ schrie und dass plötzlich Herr Giko Yonamine, mein Lehrer aus der dritten Klasse, bei mir war. „He, das bist ja du, Kayobo (mein Spitzname)!", sagte er und zog das Brett von mir herunter. „Jetzt komm, komm einfach hinter mir her.“, sagte er. „Jawohl, HerrYonamine“, sagte ich.
„Sag niemanden, dass ich Lehrer bin. Wenn jemand erfährt, dass ich Lehrer bin, könnten sie mich verhaften. Also sag einfach, dass ich dein Großvater bin“, sagte er. „Ja, gut “, antwortete ich, dann folgte ich ihm.
■ Als ich von meinem Lehrer getrennt wurde und wieder alleine war, musste ich mich ausruhen, weil mir der Bauch so weh tat. Eine nette Frau fand mich.
„Mir tut der Bauch so weh“, jammerte ich. „Tut es da weh?“, fragte sie mich. „Du hast bestimmt schon lange nichts mehr gegessen. Kein Wunder, dass dir der Bauch wehtut.“ Dann gab sie mir ein Stück Zuckerrohr. Ich sollte mich auf die Seite legen, sie klopfte mir auf den Rücken, um so etwas gegen die Schmerzen zu tun. Tapp, tapp, tapp, tapp, tapp klopfte es auf meinen Rücken, bis es plötzlich aufhörte. Sie war von einer Kugel tödlich getroffen worden. Die Frau hatte eine Tochter und einen Sohn. Tochter und Sohn weinten, schrien. „Was ist mit dir, Mama, Mama?!“ Ich konnte dort nicht bleiben und mitweinen, also rannte ich weg.
■ Ich traf meinen Lehrer wieder, wir versteckten uns in einem Erdloch bei Kiyan-misaki im Vorgebirge. Ein amerikanischer Soldat forderte mich auf, das Erdloch zu verlassen. „Sie töten keine Kinder“, sagte mein Lehrer, also ging ich.
Der amerikanische Soldat brüllte so etwas wie „Come on, come on!“ Mein Lehrer, Herr Giko, sagte mir, ich solle nach draußen gehen, weil der Soldat brüllte „Come on!“. „Nein“, sagte ich, „ich gehe da nicht raus. Wenn ich rausgehe, bringen sie mich um.“ „Nein“, sagte mein Lehrer, „sie werden dir nichts tun. Sie töten keine Kinder, also geh. Willst du etwa nicht auf deinen Lehrer hören?“, fragte er mich. Also sagte ich „Jawohl, Herr Giko, ich gehe“, nahm meine Sachen und ging aus dem Erdloch.
Als ich draußen war, sagten sie zu mir: „Hier hast du ein bisschen Schokolade, nimm schon.“. Aber ich wollte zuerst nichts davon essen. Sie fragten mich, ob noch viele Leute in dem Erdloch waren. „Ja“, sagte ich, „da sind noch viele. Da sind ganz viele Leute drin.“ „Dann musst du diesen Leuten sagen, dass sie rauskommen sollen. Wenn Sie nicht herauskommen, werden wir auf sie schießen. Dann sterben sie alle. Willst du, dass sie alle sterben?“ Es war ein japanischstämmige Amerikaner der zweiten Generation aus Hawaii, der mit mir sprach. „Nein, ich will, dass sie leben“, antwortete ich ihm. „Dann musst du den Leuten in dem Erdoch sagen, dass sie herauskommen sollen. Sie können entweder herauskommen oder sterben, ganz wie sie wollen. Aber ich rate jedem, lieber herauszukommen!“, sagte er zu mir. Also sagte ich: „Herr Giko, sie sagen, dass sie in das Erdloch schießen, wenn ihr nicht herauskommt. Wollen Sie, dass sie schießen?“ Herr Giko fragte mich: „Was sind das für Leute da draußen?“ Ich antwortete ihm: „Hier sind ein halb verbrannter Mann und ein japanischer Soldat, der mir sagt, dass ich etwas essen soll. Aber ich habe nichts gegessen, ich warte. Ich werde erst dann essen, wenn alle draußen sind.“ „Kommen Sie heraus, Herr Giko. Sie sagen, dass sie schießen, also kommen Sie heraus!“, bat ich. Alle aus dem Unterschlupf heraus, mit erhobenen Händen. Die Menschen, die herauskamen, stammten aus den Dörfern Tsuha, Nago, Goya und Kohatsu. Niemand war aus Onaga, ich war die Einzige. Ich war so traurig.
■ Als Kriegsgefangene nach Adaniya in Nakagusuku deportiert
Nach einer Weile kümmerten sich meine Mitgefangenen rührend um mich. „Du bleibst bei uns, Kayoko. Zieh die dreckigen Sachen aus, damit ich sie waschen kann. Ich leihe dir solange etwas von mir zum Anziehen, also bleib einfach hier“ Sie halfen mir und brachten mir vieles bei. Ich musste mir keine Gedanken um etwas zu essen oder um einen Schlafplatz machen, all die älteren Frauen kümmerten sich um mich.
Es war eine Welt voller Leid, in der wir damals lebten. So lange wir leben, beten wir um Frieden. Daran hat sich nichts geändert.
■ Bruder und Vater gerettet und als Gefangene nach Hawaii deportiert, wo ich sie wiedertraf.
Mein Bruder und mein Vater wurden gefangengenommen und anschließend nach Hawaii gebracht. Mein Vater und mein Bruder rechneten damit, auf der Überfahrt nach Hawaii getötet zu werden, aber zum Glück kam es anders. Als sie auf Hawaii ankamen, trafen sie dort viele Menschen, die ebenfalls aus Onaga stammten. Eine Menge Leute vom Okinawa-Präfekturverband (kenjinkai) auf Hawaii kamen zusammen uns sagten zu ihnen: „Ihr seid nach Hawaii gekommen und ward nicht am Krieg beteiligt. Das ist sehr bewundernswert“, sagten sie und begrüßten alle.
Und so waren mein Vater, mein Bruder und ich endlich wieder zusammen. Als ich wieder in meine Heimat Onaga zurückkehrte, waren 68 % dess Dorfs zerstört. Onaga hatte die meisten Todesopfer der gesamten Gegend um Nishihara zu beklagen.
Unter den Überlebenden war ich die Einzige ohne Narben. Ich hatte nicht die kleinste Schramme. Alle anderen sprachen darüber, wo sie getroffen wurden, wie ihnen das Ohr abgerissen, ihnen in den Rücken geschossen wurde und so weiter. Aber sie hatten überlebt. Die körperlichen Verletzungen sind verheilt..
■ Ein Wort an jüngere Generationen
Die Zeit des Krieges ist vorbei, es ist gut, dass wir lernen, in Frieden zu leben. Wenn ein Krieg erst einmal ausbricht, ist es bereits zu spät. Daher müssen wir uns immer für Frieden einsetzen.