Krieg und neuer AnfangFilmische Zeitzeugenberichte über den Krieg und die Zeit danach

Waffenstillstand, Niederlage, Kriegsende und meine Nachkriegsjahre

Herr Yuzuru Masaki

Geburtsjahr:1934

Geburtsort:Ishigaki-jima

Evakuierung nach Taiwan

 Mein Vater arbeitete als meteorologischer Beobachter. Zu dieser Zeit in der Wetterwarte Ishigaki-jima. Doch auf dem Rückweg, von einer Weiterbildung in Tokyo am 19. März 1943 wurde sein Schiff vor der Küste Taiwans von einem US U-Boot angegriffen und versenkt und er gilt seitdem als vermisst. Meine Mutter ist nach Taiwan evakuiert worden. Die Meiji Seito GmbH hatte ihren Hauptsitz in der Nähe von Madou in der Präfektur Tainan und sie arbeitete dort in der Einkaufsabteilung. Es war im September 1944, als wir nach Taiwan evakuiert wurden.

Luftangriffe auf Taiwan

 Nachdem ich in Madou angekommen war, begannen am 12. und 13. Oktober die Luftangriffe, während wir in der Nähe unseres Hauses einen Luftschutzbunker gruben. Es gab keine Fluchtmöglichkeit und es gelang mir, mich in einem etwa einen Meter großen Wasserrohr eines Bewässerungskanal in der Nähe meines Hauses zu verstecken. Dabei wurde ich zum ersten Mal Zeuge einer Luftschlacht zwischen amerikanischen Grumman Jagdfliegern und japanischen Zero Kampfflugzeugen. Die schwarzen Zero Kämpfer hatten die amerikanischen B-29 Bomber im Visier und flogen auf sie zu. Aber die Zero Kämpfer konnten die Höhe, in der die B-29 flogen, nicht erreichen, sodass ihre Fluggeschwindigkeit allmählich abnahm. Als sich ihre Geschwindigkeit verlangsamte, wurden sie von den Maschinengewehren der B-29 von oben angegriffen und abgeschossen. Der Anblick war überwältigend. Als Nächstes begannen Grumman-Jäger im Tiefflug mit Maschinengewehr Beschuss. Neben den B-29 gab es auch noch B-24 Bomber, die auf eine niedrige Höhe von etwa 200 bis 300 Metern herabstiegen, bevor sie große Bomben abwarfen. Da war ein Schornstein, der zu einer Zuckerfabrik gehörte. Die Flugzeuge bombardierten die Fabrik in der Annahme, dass es eine militärische Einrichtung war. Das Bombardement war extrem intensiv.
 In dem Dorf Madou, in dem wir wohnten, gab es einen geheimen Flugplatz, der nur aus einer Landebahn bestand. Er wurde von den Amerikanern angegriffen und ich wollte mir eine Patronenhülse als Souvenir holen. Auf dem Weg dorthin lief ich durch ein Zuckerrohrfeld, als ich plötzlich ein lautes Grollen hörte, das sich rasch näherte. Ich drehte mich um, und sah ein amerikanisches P38 Jagdflugzeug in sehr geringer Höhe auf mich zufliegen. Ich erschrak und sprang in einen Graben am Straßenrand. Ich hielt mir die Ohren zu und legte mich hin, so wie es uns in der Schule beigebracht worden war. Als das Kampfflugzeug vorbei rauschte und ich den Kopf hob, wirbelten die Kugeln Staubwolken auf, wo ich gerade noch langgelaufen war. Ich dachte, jetzt wird es ernst und versuchte schnell wegzulaufen. Als ich flüchtete, sah ich wie ein Wasserbüffel von dem Maschinengewehrfeuer getroffen wurde. Der Einschlag der Kugeln hinterließ ein großes Loch in seiner Seite und die Eingeweide spritzten aus der klaffenden Wunde heraus. Ich sah diesen grausamen Anblick und dachte mir, dass die Wucht der Kugeln einen Menschen auf der Stelle getötet hätten und wie viel Glück ich gehabt hatte, nicht gestorben zu sein.

Waffenstillstand und Niederlage

 Ich hörte, dass der Krieg zu Ende war, als ich im fünften Jahr an der nationalen Schule war. In den Sommerferien, am 15. August 1945. Ich saß gerade auf einen Longan Baum und aß ein paar Früchte. Mein Bruder rief von unten herauf: „Der Krieg ist vorbei! Nein, nicht vorbei, es ist Waffenstillstand!“. Als ich fragte, was ein Waffenstillstand sei, sagte er: „Der Krieg macht eine Pause“. Ich dachte bei mir, dass das bedeutet, dass es auch eine Weile keine Luftangriffe mehr geben wird. Noch an diesem Abend sagte der Mann von nebenan: „Japan hat verloren. Japan hat den Krieg verloren“. Als ich das hörte, war ich erfüllt von Traurigkeit, Groll und einer Menge anderer Gefühle. Als Kind machte es mich sehr traurig daran zu denken, dass wir gegen die westlichen Barbaren verloren hatten, die mir meinen Vater geraubt hatten.
 Der Krieg endete im August und für eine Weile hatte ich noch die gleichen Schullehrer wie während des Krieges. Aber bald darauf rückte die Chiang Kai-shek Armee der Republik China vom Festland nach Taiwan vor und eine Person namens Chen Yi wurde als Taiwans Verwalter eingesetzt. Kurz bevor Chen Yi nach Taiwan kam, wurden der japanischen Schulleiter und alle Lehrer an meiner Schule gezwungen zu kündigen und durch einen taiwanischen Schulleiter und Lehrer ersetzt. Allen Schülern wurde Chinesisch gelehrt. Zuerst wurde uns die Nationalhymne der Republik China beigebracht. Wir mussten die Begrüßungsworte für Chen Yi auswendig lernen. Eine Weile hatte ich nur noch Unterricht auf Chinesisch.

Der Rückweg aus Taiwan

 Als die Repatriierung nach Japan begann, nahm die Zahl der Schüler an den japanischen Schulen allmählich ab. Im Winter 1946 konnte ich nach Ishigaki-jima zurückkehren und reiste von Tainan nach Keelung. Zu dieser Zeit fuhren die einzigen Boote, die nach Ishigaki-jima fuhren, von Keelung ab. Die Fahrt, dauerte ein bis zwei Wochen in einem Güterwagen. Die Bahnhöfe wurden ebenfalls bereits von Taiwan-Chinesen betrieben. Die Bahnhofsangestellten waren Chinesen und Taiwaner und sie ließen uns nicht so einfach durchfahren. Sie nahmen kein Geld, wir gaben ihnen Kleidung oder andere Sachen als Bestechungsgaben und erreichten schließlich Keelung. In Keelung angekommen, hatten wir keinen Platz zum Wohnen und auch keine Verwandten. Wir schlugen ein Zelt auf und lebten tagelang auf dem zerbombten Gelände einer ehemaligen Eisfabrik. Nach einiger Zeit bestiegen wir im Hafen von Keelung ein Schiff und kehrten nach Ishigaki-jima zurück. Wir teilten uns die Passage mit zwei, drei Familien. Das Boot, mit dem wir fuhren, war ein 30 Tonnen Fischerboot aus Miyako. Wir bestiegen es und brauchten vom Hafen in Keelung bis Ishigaki-jima etwa 36 Stunden. Während der Überfahrt gab es einen großen Sturm und wir wären beinahe gekentert, aber irgendwie erreichten wir Ishigaki-jima.

Rückkehr nach Ishigaki-jima

 In Taiwan waren die Straßen geräumig gewesen, in Ishigaki-jima waren sie schmal und mit Gras bewachsen, ich fühlte mich sehr beengt. Es gab viele Kriegswaisen und in der Nachbarschaft war ein Waisenhaus. Wir hatten zwar große Menge Reis aus Taiwan mitgebracht, aber als der aufgebraucht war, gab es nicht mehr viel zu essen. Wir aßen Süßkartoffeln und verschiedene andere Sachen.
 Während wir uns von den Gräsern aus Wald und Feld ernährten, wurden Feldrationen der Amerikaner verteilt. Diese Rationen wurden im Krieg mit Fallschirmen abgeworfen, um die Soldaten in vorderster Front zu versorgen. Für uns waren sie total luxuriös. Zum ersten Mal habe ich Butter gegessen. Sie enthielten Biskuits Kekse und Käse die ich zusammen gegessen habe. Dazu waren auch noch leckere Rosinen in den Rationen. Ich war beeindruckt, wie gut die amerikanischen Soldaten während der Schlacht versorgt wurden. Es gab damals eine Seife namens „Adeka-Seife“. Der Käse aus den Hilfslieferungen hatte die gleiche Größe wie die Adeka-Seife. Die ältere Frau von nebenan, hielt den Käse für ein Stück Seife und beschwerte sich beim Waschen am Brunnen, dass sie gar nicht schäumte. Sie ließ sie am Brunnen liegen und ich fragte sie: „Was ist denn damit?“, und sie erwiderte: „Die Seife schäumt nicht“. „Ach so, darf ich sie dann bitte haben?“, fragte ich und nahm den Käse mit nach Hause. Ich wusch ihn und aß ihn auf. Der Käse hat köstlich geschmeckt.

Malaria und der Besiedlungsplan

 In der Nachkriegszeit half das US-Militär bei der Ausrottung der Malaria, weil es seine Militärbasen in Kadena, Futenma und Naha ausbauen wollte. Auf diese Weise ging das Land verloren und die Leute konnten dort nicht mehr wohnen. Eine große Anzahl von Okinawanern kehrten aus Übersee und anderen Teilen Japans zurück, sodass die Bevölkerung wuchs und Schwierigkeiten hatte unterzukommen. Um das Jahr 1950 wurde damit begonnen diese Leute nach den Yaeyama-Inseln auszusiedeln, wo es noch viel Land gab.
 Für die Einwohner von Okinawa und der Insel Miyako-jima, war Ishigaki-jima nichts anderes als eine Malaria-Insel. Zu dieser Zeit wurde die Krankheit nicht Malaria, sondern Fuuki genannt. Wenn man sich mit Fuuki infiziert stirbt man, deshalb weigerten sich die Leute zunächst nach Yaeyama zu ziehen. Also musste das US-Militär erst die Malaria ausrotten, bevor sie die Leute umsiedeln konnte. Sie verteilten nicht nur Medikamente sonder versprühten auch DDT (ein Insektizid), um die Mücken zu dezimieren, welche die Malaria übertrugen. Das Malaria-Medikament, das damals verabreicht wurde, nannte sich Atebrin. Es war gelb und unglaublich bitter. Die Stadt Ishigaki gehörte nicht zum Malariagebiet, aber wenn man nur einen Schritt aus der Stadt hinausging, befand man sich bereit in der Malaria gefährdeten Zone. An allen Ausgängen der Stadt und der Dörfer gab es Checkpoints des Gesundheitsamts in Form von kleinen Zelten oder Strohhütten. In ihnen war Wasser bereitgestellt und wenn man sie passierte, um Holz zu holen oder auf dem Kartoffelfeld zu arbeiten, wurde man nur durchgelassen, wenn man vor den Augen der Mitarbeiter vom Gesundheitsamt Atebrin zu sich nahm. Es gab unzählige von diesen Kontrollstellen. So wurde sichergestellt, das wir die Malaria Medizin zu uns nahmen.
 Als Nächstes musste man die Mücken dezimieren. Dafür verwendete man DDT. Es wurde in Häusern mit Mücken versprüht. Da die Mücken im Stadtgebiet harmlos waren, legten man an den Quellen der Flüsse in den Bergen, die der Ursprung der Malariamücken waren, einen sogenannten DDT-Tropf. Das bedeutet, das man in einem Ölfass DDT auflöste, dieses wurde dann an einen Baum neben der Flussquelle gehängt und ein kleines Loch geöffnet und das DDT tröpfelte in den Fluss. Allerdings tötete man so nicht nur die Mückenlarven, sondern auch alle andere Lebewesen in den Flüssen. Garnelen, kleine Fische, Karauschen, Schildkröten und auch Aale, Es war ein großer Schaden an der Natur, aber mit dieser Schädigung der Umwelt, wurde die Malaria ausgerottet und der Grundstein für die Besiedlung gelegt. Allerdings gab es Leute, die im Rahmen des „Umsiedlungsplans“ in die Gegend von Hoshino zogen und sich dort, bei Tätigkeiten in den Bergen, immer noch mit Malaria infizierten. Es gab eine Siedlung namens Omoto und die Ryukyu-Regierung erschloss das Land, um dort Umsiedler wohnen zu lassen. Im Jahr 1952 war ich im zweiten Jahr der Highschool und arbeitete in den Sommerferien mit, bei der Erschließung des Gebiets zu helfen. Wir Oberschüler wurden damit beauftragt, auf Bäume zu klettern und die großen Äste abzusägen. Sobald die Äste abgeschnitten waren, wurden sie mit einer Planierraupe wegtransportiert.
 In Omoto gab es noch eine Kaserne, die der japanischen Armee gehört hatte. Es war eigentlich mehr ein Schweinestall, als eine Kaserne. Dort waren wir untergebracht und ich habe nachts bei Lampenlicht gelernt. Abends habe ich gelernt und tagsüber gearbeitet. So habe ich die zwei Wochen Ferienarbeit verbracht. In der Kaserne wurde ich von Mücken gestochen und infizierte mich zweimal mit Malaria. Beide Male wurde ich sofort geheilt. Atebrin war wirklich sehr wirksam. Ich nahm mir etwa Blut am Ohr ab und betrachtete es unter dem Mikroskop. Sah man den Malariaerreger wusste man, dass man sich infiziert hatte. Nahm man Atebrin, wurde man unverzüglich geheilt, allerdings färbte sich die Haut und die Augen gelb. Während meines zweiten Highshool Jahrs waren meine Haut und meine Augen gelb geworden und für eine Weile war mein Spitzname „die gelbe Rasse“.

Die Wetterwarten nach dem Krieg

 In Ishigaki-jima, Miyako-jima, Minamidaito-jima und Naze auf Amami Oshima existierten damals Wetterstationen. Es gab auch eine Wetterwarte auf der Hauptinsel Okinawa, aber nach dem Krieg wurde die Wetterstation auf der Hauptinsel zum meteorologischen Observatorium für Kadena unter der Jurisdiktion des US-Militärs und wurde nicht von Japan kontrolliert. Ishigaki, Miyako und Minamidaito wurden seit dem Krieg bis 1949 von der japanischen Regierung verwaltet. Alle andere unterstanden entweder den Vereinigten Staaten oder den Bezirks- und Inselregierungen, aber diese drei Wetterstationen wurden von der japanischen Regierung verwaltet. Es gab ein Schiff die Ryofu-maru, heutzutage ein Beobachtungsschiff, das Verbrauchsmaterial, Geräte, Gehälter und vieles mehr für die Wetterstationen transportierte. Die Route dieses Schiffes führte von Amami nach Miyako-jima und Ishigaki-jima über Daito-jima, bevor es wieder zum japanischen Festland zurückkehrte, ohne die Hauptinsel Okinawa zu passieren. Das Schiff transportierte die „Schriften über Demokratie“ und dergleichen, die nach Kriegsende verteilt wurden. Die gesamte Kultur wurde uns von diesem Schiff gebracht. Neue Informationen kamen auf den entfernter gelegenen Inseln früher an, als auf der Hauptinsel Okinawa. Zu dieser Zeit waren die Gehälter der Mitarbeiter der Wetterwarten höher als die der Bürgermeister.
 Der Wiederaufbau nach dem Krieg kam ab 1950 voll in Gang, Straßen wurden gebaut, Umsiedler kamen und das Leben auf der Insel veränderte sich allmählich.

Meine Botschaft an die jungen Leute

 Ich denke, es gibt keinen anderen Weg eine friedliche Welt zu errichten, als unsere Verfassung zu bewahren. Dessen muss man sich als Japaner bewußt sein. So zu denken ist der erste Schritt in die richtige Richtung. Solange wir die japanische Verfassung bewahren, sollte kein anderes Land angegriffen werden. Ich glaube daran, dass nur durch das Ausüben von Diplomatie, Frieden aufgebaut wird.


 Herr Yuzuru Masaki trat in die Fußstapfen seines Vaters Tsutomu Masaki und nach seinem Abschluss der Highschool arbeitet er für 41 Jahre an verschiedenen Meteorologischen Beobachtungsstationen überall in Japan. Während dieser Zeit beteiligte er sich am Senkaku Forschungsteam der Ryukyu Regierung und nahm an geologischen Untersuchungen in den Sakishima Inseln teil.
 Nach seiner Pensionierung schrieb er in Form von Haikus und Essays für die Yaeyama Chroniken über die Bedeutung der Natur.