Krieg und neuer AnfangFilmische Zeitzeugenberichte über den Krieg und die Zeit danach

Der Krieg und das Leben in Yanbaru

Frau Hatsuko Higa

Geburtsjahr:1929

Geburtsort:Nago

Leben an der Nationalschule von Kushi

 Zur Zeit der Schlacht um Okinawa war ich im zweiten Jahr der Oberstufe an der Nationalschule. Wenn es keine Luftangriffe gab, gingen wir zur Schule. An der Schule hatten wir Luftschutzübungen. Von Mihara in Kushi (Heute Nago City) besuchte ich die Nationalschule Kushi, die in Sedake war. Die Schlacht um Okinawa begann vor meiner Abschlussfeier, deshalb habe ich die Schule nie offiziell bestanden.
 An den Wochentagen hatten wir nur ein oder zwei Stunden Unterricht. Etwa zur vierten Stunde läuteten die Alarmsirenen „Fliegeralarm“ und wir liefen sofort aus der Schule zum Luftschutzbunker und versteckten uns. War der Alarm vorbei, verliessen wir den Bunker und liefen wieder zurück zur Schule. Das war unser Schulalltag. Außerdem waren wir Schüler für die Gartenarbeit zuständig. Wir bauten Süßkartoffeln an und hielten Schweine. Wir hatten drei Schweine. Diese Woche war Mihara an der Reihe und nächste Woche ein anderes Dorf. So wechselten wir uns im Wochenrhythmus bei der Schweinepflege ab.
 Die Lehrer fertigten Strohpuppen und spitzten Bambusstäbe an. Wir trainierten mit den Bambusspeeren und stachen auf die Strohpuppen ein. Eine große Anzahl von Kindern gruben überall Luftschutzbunker. Sie waren nicht sehr groß. Man konnte gerade so darin stehen und laufen.

Der Schrein für das Kaiserbildnis

 Im Schrein der Schule gab es ein Bild des Kaisers. Mann musste drei Türen öffnen, um das Bild sehen zu können, Ging man an dem Bild vorbei und die Türen standen offen, verbeugten wir uns vor der Photographie. War die Tür geschlossen, ging man mit durchgedrückten Rücken vorbei.
 Die Lehrer waren sehr streng und ich wurde oft geschlagen. Wenn an der Schule etwas passierte wurden wir immer als Gruppe bestraft. Hörten sie nur ein einziges Wort während des Unterrichts, wurden wir alle zusammen gezüchtigt. „Streckt die Hände aus!“ hieß es und wir wurden mit dem Lineal geschlagen. Es war wirklich äußerst streng. Wir wurden sogar bestraft, wenn wir während des Unterrichts einen Schluck Wasser tranken. Auf dem Weg vom Schulgebäude zum Tor mussten wir die ganze Zeit Militärlieder singen. So etwas wie „Wir sehen den Feind, er nähert sich“.
 Wir erhielten eine Schuluniform pro Schüler. Weil die Uniformen bis zum nächsten Morgen nicht trockneten wenn man sie Abends wusch, haben wir sie mit feuchten Handtüchern abgerieben und getrocknet. So haben wir unsere Schuluniformen jeden Tag gepflegt. Schuhe hatten ich keine, ich bin barfuß zur Schule gegangen. Mein Mittagessen waren immer nur Süßkartoffeln, es gab keinen Reis. Da meine Familie Bauern waren, wickelte ich fünf oder sechs Süßkartoffeln ein, packte sie in einen kleinen Korb und trug sie so zur Schule. Ich hatte nichts, um mich vor Regen zu schützen und nahm einen alten Korb aus Bambus anstelle einen Regenschirms.

Luftangriffe und Evakuierung in die Berge

 Mein Vater evakuierte ihn die Berge auf der anderen Seite des Flusses. Wir blieben auf unserer Seite des Flusses und zogen tiefer in die Berge. Dort bauten wir uns einen Luftschutzbunker und lebten getrennt von meinem Vater. Eines Abends verstummte das Geräusch der Bombenangriffe in der Ferne und wir entspannten uns in dem Glauben, dass die Luftangriffe für heute vorbei waren. Plötzlich ertönte lautes Gewehrfeuer. „Soviel Maschinengewehrschüsse, wo war das?“, und als ich aus dem Bunker lief, sah ich meinen Vater, der von den Maschinengewehrsalven in den Beinen getroffen war. Sein Bein war so gut wie abgetrennt und hing nur noch an etwas Haut. Es wurde Abend und wir brachten ihn zu einer Klinik in Sedake. Er hatte aber schon zu viel Blut verloren und starb auf dem Weg dort hin.
 Spätabends liefen wir immer zu unserem Haus und bereiteten Essen vor. Am nächsten Morgen nahmen wir das Essen und begaben uns zu unserem Unterschlupf in den Bergen. Gegen halb fünf abends liefen wir dann wieder zurück zum Haus. Das war unser Evakuierungsalltag. In unserer Gegend hat es kaum Luftangriffe gegeben, darum waren auch kaum Opfer zu beklagen. Wenn es mehr Luftangriffe gegeben hätte, wären sicher sehr viele Menschen um ihr Leben gekommen. Während der Luftangriffe fühlte ich mich als wäre ich bereits gestorben.
 Als die Kämpfe immer heftiger wurden, zogen mehr und mehr japanischen Soldaten durch Kushi. Diese Soldaten waren immer sehr hungrig. In einem großem Topf kochten wir Taro-Kartoffeln und er war jedesmal in einem Augenblick aufgegessen. Sie waren auf dem Weg vom Süden in den Norden nach Higashi-son. Die Soldaten sagten immer: „Japan ist am Gewinnen, macht euch keine Sorgen“. Sie konnten uns ja alles erzählen. Wir hatten keine Kriegserfahrung und glaubten den japanischen Soldaten, dass Japan siegen wird. Wir verspürten daher auch niemals richtige Angst und auf einmal war der Krieg vorbei.
 Nach Ende des Krieges gab es keine Luftangriffe auf die Yanbaru Gegend mehr. Vom Himmel fielen jetzt Flugblätter. Auf ihnen stand, dass der Krieg vorbei war und wir aus den Bergen herauskommen sollen. Niemand würde uns etwas antun. Diese Flugblätter wurden von der amerikanischen Armee abgeworfen. Obwohl wir die Flugblätter lasen, ergaben wir uns nicht sofort. Wir waren zuerst noch misstrauisch, aber nach und nach kamen die Leute aus den Bergen heraus. Unter anderen auch deshalb, weil die amerikanische Armee von einer Drei Wege Kreuzung in der Nähe unseres Hauses, Mörsergranaten in die Berge feuerte. Wir konnten uns auch nicht ewig in den Bergen verstecken.
 Zu dieser Zeit befanden sich in der Nähe am Tanodake Soldaten der Gyokutai (Spezialeinheit für den Guerillakrieg), aber auch sie begannen aus den Bergen herauszukommen. Mein Bruder war ebenfalls in der Gyokutai und war von einem Schuss am Hals verletzt worden. Er überlebte glücklicherweise, aber wir hätten nicht geglaubt das der Krieg so tief in die Provinz kommt. Weil mein Bruder so jung aussah, hielten ihn die Amerikaner noch für ein Kind und er wurde nicht Kriegsgefangenschaft genommen.
 Es gab auch Flüchtlinge aus Mittel- und Südokinwawa in Mihara. Weil wir, die Einwohner von Mihara in die Berge geflohen waren, hatten die Flüchtlinge begonnen in unseren Häusern zu leben. Sie stahlen und aßen die Süßkartoffeln, die wir angebaut hatten und flohen nicht weiter in die Berge. Wir waren zwar in die Berge geflohen, hatten aber unsere Lebensmittelvorräte in den Häusern gelassen. Die Flüchtlinge bedienten sich einfach an unseren Vorräten, während wir nichts mehr zu essen für uns fanden. Wir trugen ungeschälten Reis auf dem Rücken in die Berge und versteckten ihn. Aber auch der wurde uns gestohlen und es wurde sehr anstrengend für uns.

Das unmittelbare Nachkriegsleben

 Aus den Bergen herausgekommen, versammelten wir uns in Sedake. Die amerikanische Armee verteilte Reis Rationen und errichtete Zelte in denen wir unterkommen konnten. Danach starben sehr viele Leute an Malaria. Die meisten waren Flüchtlinge aus den mittleren und südlichen Teilen Okinawas. Ich habe medizinischen Personal aus Itoman geholfen, aber es sind sehr viele Flüchtlinge gestorben.
 Von der amerikanischen Armee gab es reichlich Proviant und Unterstützung. Rindfleisch in Dosen und schmackhaften Reis. Es war zwar Langkornreis, aber ganz weiß und sehr lecker, wenn man mit ihm Reisbrei kochte. Es gab auch Mehl, Getreide und Bohnen. An Lebensmittel herrschte kein Mangel. Wir als Bauernfamilie erhielten ein Sho (1,5 kg) Reis. Die Familien, die keine Bauern waren, erhielten etwa vier Sho. Leute, die keine eigenen Felder hatten, haben sehr viel Rationen erhalten. In den Rationen waren auch Bohnen und einige Leute haben aus den Bohnen Tofu gemacht und ihn verkauft. Vor dem Krieg fürchteten sich alle vor den „bösen Amerikanern“, aber wir erhielten so viel köstliche Verpflegung in Form der Rationen von ihnen. Wir erlebten am eigenen Leib, das die Amerikaner keine schlechten Menschen waren. Es gab kein Speiseöl und wir haben stattdessen Maschinenöl verwendet. Wenn man die Pfanne erhitzt hat stieg blauer Schaum auf. Mit diesem Öl haben wir Tempura zubereitet und es war wirklich gut. Niemand ist an dem Maschinenöl gestorben. Zuerst haben die Leute sich noch etwas gefürchtet Tempura, dass mit dem blauen Öl zubereitet war zu essen. Aber als die Ersten anfingen es auszuprobieren und sagten, dass es in Ordnung ist, haben alle das Tempera gegessen.

Eheleben

 Die meisten haben damals mit 20 Jahren geheiratet, aber ich war bereits 22 oder 23 Jahre alt als ich heiratete. Bis zu meiner Hochzeit waren wir fünf oder sechs Geschwister, alles Jungen und ich als einziges Mädchen. Das ganze Jahr arbeitete ich auf dem Feld wie ein Mann. Die Felder pflügen und eggen, Süßkartoffeln anpflanzen und andere Arbeiten. Das war kein einfaches Leben und ich dachte immer nur, so schnell wie möglich in die Stadt zum Arbeiten zu gehen. Mit der Hochzeit wurde es dann endlich etwas leichter für mich. Mein Mann war ein Bauer aus dem gleichen Ort. Nach der Hochzeit betrieben wir Landwirtschaft und hielten nebenbei Schweine. Die Schweine brachten gutes Geld. Eines verkaufte sich für etwa 10 Dollar.

Meine Botschaft an die jungen Leute

 Als einzige Mädchen unter sechs Brüdern, wurde ich sehr streng erzogen. Wenn ich mir die jungen Leute von heute anschaue, sind vielen von ihnen verwöhnt und nachlässig. Sie wissen nicht die Beziehungen, mit anderen Leuten zu wertschätzen. Es ärgert mich zutiefst, wenn ich solche Menschen sehe.


 Frau Hatsuko Higa sorgte sich um die jüngeren Geschwister ihres Mannes, die ihre Eltern im Krieg verloren hatten. Für ihren Lebensunterhalt betrieben sie Landwirtschaft und züchteten Schweine. Vor, während und nach dem Krieg lebte sie in Miharund ist dadurch ein wertvolles Mitglied unseres Erzählerclubs, die über den Wandel des Lebens in Yanbaru im Laufe der Jahre erzählen kann.