Mein Nachkriegsleben in Taira
Herr Tokujiro Shimabukuro
Geburtsjahr:1936
Geburtsort:Nago
Nach Okinawa zum Geburtsort meines Vaters
In der zweiten Hälfte des Jahres 1943, bestiegen wir ein Schiff mit dem Namen Kotobuki-Maru und fuhren einen Tag und eine Nacht von Tokunoshima zum Hafen von Motobu. Wir zogen nach Oyakawa in Haneji, dem Geburtsort meines Vaters, weil das gute Klima und die Umgebung sehr gut für den Reisanbau geeignet waren. Wir waren zu fünft, als wir nach Okinawa gingen. Meine Eltern, meine zwei Schwestern und ich.
Leben in Haneji und die Schlacht von Okinawa.
Für unseren Lebensunterhalt pflanzten wir Reis an. Unser Feld war etwa 1000 Tsubo (3.300 qm) groß. Davon nutzten wir erst einmal 200 Tsubo (660 qm) zum Reisanbau. Den Reis konnten wir nur Nachts anpflanzen. Tagsüber gruben wir Luftschutzbunker. Von Oyakawa zogen wir weiter nach Taira. Wir hatten kein eigenes Haus und kamen in einem Mietshaus unter. Im „Kinjo-Shoten“ (Kinjo-Store) wohnten wir zu fünft. Wir halfen im Laden bei der Herstellung von Kamaboko und beim Fischverkauf.
Die Luftschutzbunker im Dorf wurden von einzelnen kleinen Gruppen gegraben. In Taira gab es eine Menge Luftschutzbunker. Es waren etwa sechs Bunker im Umkreis von einem Kilometer. Trotzdem war es nicht so einfach, in einem von ihnen unterzukommen. Floh man nicht rechtzeitig, kam man nicht mehr hinein. Darum benötigten wir noch Luftschutzbunker. Direkt neben unserem Wohnhaus befand sich auch ein Bunker. Fing ein kleines Kind in ihm an zu weinen, sagten einige Leute herzlos, dass man ihm den Mund zuhalten soll. Wir waren erst vor einem knappen Jahr aus Tokunoshima umgezogen und die anderen Flüchtlinge wußten nicht sehr viel über uns.
Aus diesem Grund evakuierte meine fünfköpfige Familie in eine Köhlerhütte in den Bergen. Wir blieben dort einen Tag und eine Nacht, aber die Amerikaner drangen immer weiter vor und wir flohen von Ort zu Ort immer tiefer in die Berge hinein. Wir dachten dass es sicherer ist nicht alleine zu fliehen und evakuierten zusammen mit vier anderen Familien. Die größte Familie bestand aus 10 Leuten. Die Lautsprecherdurchsagen der US-Armee häuften sich. Wir spürten die herannahende Gefahr, berieten und entschieden zusammen zu fliehen und unsere Vorräte zu teilen. Durch Glück fanden wir eine guten Ort auf unserer Flucht. Das Haus war ein Betrieb, die Materialien für den Schiffsbau lieferten. Wohnhaus und Lagerhalle waren sehr groß und wir konnten dort unterkommen. Wir arbeiten in der Lagerhalle und es gab Reis und Süßkartoffeln. Mein Vater half beim Transport von Reifen und arbeite auf dem Reisfeld. Mit Hilfe all unserer Fähigkeiten, waren wir in der Lage dort zu überleben. Ich denke immer noch, dass es keine besseren Ort hätte geben können.
Mein Vater wird von US-Soldaten mitgenommen
Nach dem Angriff der US-Armee auf Mt. Tanodake zog eine größere Anzahl von US-Truppen an uns vorbei. Drei von ihnen ließen meine Vater aufstehen. Sie durchsuchten ihn nach Waffeln und nahmen in mit. Das muss im Juni 1945 gewesen sein.
Das Flüchtlingsleben im Dorf Haneji in Ogawa war nicht einfach. Zusammen mit zwei weiteren Familie evakuierten wir erneut in die Berge. In den Bergen gab es nichts zu essen und wir aßen fermentierten Sagopalmenfarn. Am meisten haben wir Shiwabuki (Leopardpflanze) gegessen. Das kannten wir schon von früher. Wir hatten noch etwas Schweineschmalz, aber keinen Reis oder irgendetwas anderes. Wir fanden die Haut und die Hufen eines Pferdes und einige Mitglieder unserer Flüchtlingsgruppe kochten sie für uns. Unsere Unterkunft war nur eine einfache Hütte und es regnete immer hinein. Wir reparierten an unserer Hütte herum und führten unser Evakuiertenleben, als mehrere der Älteren von uns, bei der Nahrungssuche von den Amerikanern entdeckt und getötet wurden. Wir beerdigten sie, indem wir sie mit Laub bedeckten.
Mein Vater war bekannt für seine Stärke und Gesundheit. Er musste sich nackt ausziehen und nach einer Körpercheck wurde er gefangengenommen. Das Leben in den Bergen wurde immer schwieriger. In der Hoffnung etwas über unseren Vater zu erfahren, stieg ich zum Dorf am Fuß des Berges herab. Dort wurden mir erstmal einige Sachen gestohlen.
Treffen mit meinem Vater im Arbeitslager
Da waren zwei Schwestern, die im Büro des Arbeitslagers arbeiteten. Sie erzählten mir von einem neuen Evakuierungsort und hatten Informationen über meinen Vater. Im Haus von Herrn Nii’jima im Dorf Kawakami war Platz für uns und sie sagten, dass wir unverzüglich aus den Bergen herunterkommen sollen, Anderseits gab es auch die Warnung, dass wenn man aus den Bergen kam, als Spion verdächtigt werden würde und von den japanischen Soldaten erschossen wird. Aber als wir hörten, dass mein Vater am Leben und gesund im Arbeitslager interniert war, entschieden wir die Berge zu verlassen. Unsere neue Unterkunft war es keine schäbige Hütte, sondern ein richtiges Haus, in das es nicht hinein regnete. Mit Ausnahme meines Vaters, lebten wir hier zu viert. Die Schwestern luden mich ein, jeden Samstag mit ihnen ins Camp zu gehen. Auf diese Weise konnte ich jede Woche meinen Vater treffen.
Er arbeitete in der Küche und gab mir immer etwas zu essen mit. Sie hatten so viele Onigiri Reisbällchen im Camp, dass immer einige übrig blieben. Auch sonnengetrocknetes Miso, Salz und Zucker teilte er mit uns. Ich bekam auch Eiscremepulver und andere Süßigkeiten. Im Vergleich zu dem Leben in den Bergen, war es wie Tag und Nacht. Das Lager war von einem Stacheldraht umgeben und wurde streng bewacht. Deshalb musste ich immer zusammen mit den Schwestern aus dem Büro zum Lager gehen. Dabei sah ich einmal am Wegesrand eine erschossene Person liegen, die noch Zigaretten und Süßigkeiten in der Hand hielt. Sie tat mir leid und als ich das Tuch, mit dem sie bedeckt war anheben wollte, hielten mich die Schwestern davon. Sie sagten, dass die US-Soldaten alles vom Wachturm aus beobachten. Es passierte mehrere Male, dass die Amerikaner jemanden erschossen, der sich ins Lager schleichen wollte.
Ich freute mich immer darauf meinen Vater im Arbeitslager zu treffen. Verglichen mit dem Flüchtlingsleben in den Bergen, ging es mir hier als Kind wirklich gut. So vergingen die Tage vom Juni bis zum Januar des folgenden Jahres. Dann infizierte sich mein Vater mit Malaria. In diesen Tagen wurden jeden Tag Opfer der Malaria mit dem Handwagen zur Beerdigung gekarrt. Auch die Flüchtlinge aus Mittel- und Südokinawa wurden hier beerdigt. Mein Vater wurde wegen seiner Malaria Infektion aus dem Lager entlassen. Um sein Fieber zu senken, nahmen wir kaltes Brunnenwasser und liessen es aus einem kleinen Schöpfeimer auf seine Stirn tröpfeln. Das Fieber war so hoch, dass wir es nicht mal mit einem Fieberthermometer messen konnten. Danach fing er ein zu zittern. Er zitterte so stark, dass selbst zwei Leute, die in festhalten wollten, weggeschleudert wurden. Letztendlich ist mein Vater an dem hohen Fieber verstorben. Nachdem mein Vater gestorben war, sind wir nach Taira zurück gezogen.
Nach dem Tod meines Vaters Rückkehr nach Taira
Zurück in Taira war es sehr anstrengend. Wir wohnten in einer Zelthütte. Das war besonders bei Stürmen schlimm. Das Zelt in dem wir lebten, stand am Eingang zum Pferdestall. In dem Stall waren Flüchtlinge aus Naha und Chatan untergebracht. In Taira gab es ein große Anzahl von Flüchtlingen und in jedem Haus wohnte mehr als eine Familie. Das ständige Suchen nach etwas zu essen, verdrängte sogar die Trauer um meinen Vater.
Meine Mutter brachte wie früher Fisch mit nachhause und stellte Kamaboko her. Sie verkaufte Fisch und arbeite so hart wie möglich um etwas Geld zu verdienen. Um uns Kinder nicht hungern zu lassen, arbeite sie mit all ihrer Kraft. Ich half ihr, wenn wir Bestellungen für Tofu erhielten und drehte den Mixer, um den Fisch für das Kamaboko zu zerkleinern. Nachdem wir etwa zwei Jahre in der Zelthütte gewohnt hatten, mieteten wir uns ein Haus in der Nähe der Haneji Grundschule. Auch dort half ich meiner Mutter weiter bei der Arbeit. Zu den Dorfveranstaltungen erhielten wir immer viele Bestellungen und waren sehr beschäftigt. Auch wenn wir dabei Minus machten, kauften wir Fische in Higashi oder Nago und wir halfen alle gemeinsam beim Tofu und Kamaboko herstellen. Dafür brauchten wir auch Brennholz. Am schulfreien Samstag einmal und am Sonntag zweimal, liefen wir in die Berge, dort wo heute der Haneji Damm ist und sammelten Brennholz. Das war in allen Familien die Aufgabe der Kinder. Für die Tofu Herstellung benötigt man sauberes Meerwasser. „Shio-kumi“ nennt man das Meerwasser schöpfen und es war ebenfalls Aufgabe der Kinder.
Wir konnten nicht ewig zur Miete wohnen und tauschten 100 Tsubo (330qm) unseres besten Ackerlandes gegen 300 Tsubo (930qm) drittklassiges Ackerland. Das wurde zugelassen, weil beide Äcker Reisfelder waren. Dort bauten wir uns ein Haus mit Strohdach. Um noch etwas mehr Geld zu verdienen, fingen wir an Schweine zu halten und füttern sie mit den Resten von der Tofu und Kamaboko Herstellung. Wir begannen mit fünf Schweinen, die wir geschenkt bekamen. Jemand der für die US-Armee in der Wäscherei arbeitete, brachte ein weisses Pulver mit. Auf der Packung stand Backpulver, aber sie enthielt etwas anders. Wir benutzten das Pulver um Sata-andagi (frittierte Teigbälle) zu backen. Aber aus irgendeinem Grund wollte der Teig mit nur einer Prise Pulver nicht aufgehen. Also wurde noch eine zweite oder dritte Peise hinzugefügt. Und hier begann die Tragödie. Denen, die Sata-andagi mit einer Prise Pulver gegessen haben, geht es heut gut. Diejenigen, die den Teig mit zwei Prisen gegessen haben, litten unter Haarausfall. Aber wer denn Teig mit drei Prisen gegessen hatte, starb unverzüglich daran. Diese Leute liegen heute nebeneinander im Grab. Sie starben an „Tempura-Vergiftung“. Derjenige, der in der Wäscherei arbeitet, nahm auch welche mit zur Arbeit auf den Stützpunkt. Und die US-Soldaten, die von den Sata-andagi aßen starben ebenfalls. Bei ihnen wurde eine Tempura Lebensmittelvergiftung festgestellt. Ich denke in dem Päckchen muss anstelle von Backpulver, Insekten- oder Flohpulver gewesen sein. Das wurde dann irrtümlich zum Backen verwendet.
Geburt der Stadt Taira.
Unmittelbar nach Kriegsende wurde ein Personalaufsichtsbüro in Taira eingerichtet. Es war dafür zuständig, die nötigen Arbeiter zu versammeln, und die Arbeiten zu verteilen. wenn es einen Befehl zur Erledigung eines Auftrages für die US-Armee gab Das US-Militär setzte auch eine „CP“ genannte Zivilpolizei ein. Sie beschlagnahmte den Besitz von Leuten die in die Berge evakuieren wollten, um sie von der Evakuierung abzuhalten. Nachdem niemand mehr in die Berge ging erliessen sie eine nächtliche Ausgangssperre. Auf dem Weg zu einem Verwandten wurden wir einmal angehalten und zurückgeschickt, weil es schon Abend war.
Die Polizeistation und das Personalaufsichtsbüro lagen in Taira und das Rathaus wurde in Oyakawa eingerichtet. Im Gebiet von Taira, das als ziviles Internierungslager diente, waren einschliesslich der umgebenden sechs Dörfer, über 60.000 Leute interniert. Vor allem in der Gegend von Haneji und Taira konzentrierte sich die Bevölkerung. Weil es dort Reisfelder und Nahrung gab, zogen die Flüchtlinge aus dem Süden hierher. Später wurden strohgedeckte Häuser gebaut und Leute aus dem Zivillager wohnten in ihnen. Flüchtlinge aus dem Süden waren in leerstehende Häuser eingezogen, sodass die ursprünglichen Bewohner nicht in die Häuser zurück konnten. Sie mussten im Schuppen wohnen oder sich eine andere Bleibe suchen. Die Leute waren nicht in der Lage in ihre eigenen Häuser zurückzukehren. Die Flüchtlinge behaupteten, dass sie die Häuser zusammen mit Lebensmitteln den Amerikanern erhalten hätten. Forderte man sein Eigentum zurück, wurde man bei der CP angezeigt. Ein Hausbesitzer drohte damit, das ganze Haus niederzureißen, wenn sie nicht wenigstens den Raum mit dem Ahnenaltar freimachen. Die Okkupanten räumten das Zimmer und der Hausbesitzer konnte dort wohnen. In Naha und in den mittleren und südlichen Teilen Okinawas waren sämtliche Gebäude im Krieg zerstört worden. Bei ihrer Rückkehr nahmen die Flüchtlinge aus Taira alles mit, was sie tragen konnten. Türen, Fußböden, Möbel und hinterließen eine große Anzahl komplett ausgeräumte Häuser.
Meine Botschaft an die jungen Leute
Unter keinen Umständen darf es wieder Krieg geben. Auch heutzutage gibt es immer noch viele Probleme und in vielen Ländern werden endlose Krieg geführt. Die Kinder sind die unschuldigen Opfer dieser Konflikte. Es darf auf kleinen Fall wieder Krieg geben.
Herr Tokujiro Shimabukuro diente für 33 Jahre im Landwirtschaftlichen Genossenschaftsverband der Präfektur Okinawas. Nach seiner Pensionierung arbeitete er als Beauftragter für die Verkehrssicherheit und diente lange Jahre in seiner Gemeinde. 2017 wurde er vom Amt für Verkehrssicherheit Okinawas ausgezeichnet. Für das „Taira-Shi“,eine schriftliche Aufzeichnung der Geschichte der Gemeinde Taira schuf er das Netzwerk und arbeite als stellvertretender Chefredakteur.
Nach Okinawa zum Geburtsort meines Vaters
In der zweiten Hälfte des Jahres 1943, bestiegen wir ein Schiff mit dem Namen Kotobuki-Maru und fuhren einen Tag und eine Nacht von Tokunoshima zum Hafen von Motobu. Wir zogen nach Oyakawa in Haneji, dem Geburtsort meines Vaters, weil das gute Klima und die Umgebung sehr gut für den Reisanbau geeignet waren. Wir waren zu fünft, als wir nach Okinawa gingen. Meine Eltern, meine zwei Schwestern und ich.
Leben in Haneji und die Schlacht von Okinawa.
Für unseren Lebensunterhalt pflanzten wir Reis an. Unser Feld war etwa 1000 Tsubo (3.300 qm) groß. Davon nutzten wir erst einmal 200 Tsubo (660 qm) zum Reisanbau. Den Reis konnten wir nur Nachts anpflanzen. Tagsüber gruben wir Luftschutzbunker. Von Oyakawa zogen wir weiter nach Taira. Wir hatten kein eigenes Haus und kamen in einem Mietshaus unter. Im „Kinjo-Shoten“ (Kinjo-Store) wohnten wir zu fünft. Wir halfen im Laden bei der Herstellung von Kamaboko und beim Fischverkauf.
Die Luftschutzbunker im Dorf wurden von einzelnen kleinen Gruppen gegraben. In Taira gab es eine Menge Luftschutzbunker. Es waren etwa sechs Bunker im Umkreis von einem Kilometer. Trotzdem war es nicht so einfach, in einem von ihnen unterzukommen. Floh man nicht rechtzeitig, kam man nicht mehr hinein. Darum benötigten wir noch Luftschutzbunker. Direkt neben unserem Wohnhaus befand sich auch ein Bunker. Fing ein kleines Kind in ihm an zu weinen, sagten einige Leute herzlos, dass man ihm den Mund zuhalten soll. Wir waren erst vor einem knappen Jahr aus Tokunoshima umgezogen und die anderen Flüchtlinge wußten nicht sehr viel über uns.
Aus diesem Grund evakuierte meine fünfköpfige Familie in eine Köhlerhütte in den Bergen. Wir blieben dort einen Tag und eine Nacht, aber die Amerikaner drangen immer weiter vor und wir flohen von Ort zu Ort immer tiefer in die Berge hinein. Wir dachten dass es sicherer ist nicht alleine zu fliehen und evakuierten zusammen mit vier anderen Familien. Die größte Familie bestand aus 10 Leuten. Die Lautsprecherdurchsagen der US-Armee häuften sich. Wir spürten die herannahende Gefahr, berieten und entschieden zusammen zu fliehen und unsere Vorräte zu teilen. Durch Glück fanden wir eine guten Ort auf unserer Flucht. Das Haus war ein Betrieb, die Materialien für den Schiffsbau lieferten. Wohnhaus und Lagerhalle waren sehr groß und wir konnten dort unterkommen. Wir arbeiten in der Lagerhalle und es gab Reis und Süßkartoffeln. Mein Vater half beim Transport von Reifen und arbeite auf dem Reisfeld. Mit Hilfe all unserer Fähigkeiten, waren wir in der Lage dort zu überleben. Ich denke immer noch, dass es keine besseren Ort hätte geben können.
Mein Vater wird von US-Soldaten mitgenommen
Nach dem Angriff der US-Armee auf Mt. Tanodake zog eine größere Anzahl von US-Truppen an uns vorbei. Drei von ihnen ließen meine Vater aufstehen. Sie durchsuchten ihn nach Waffeln und nahmen in mit. Das muss im Juni 1945 gewesen sein.
Das Flüchtlingsleben im Dorf Haneji in Ogawa war nicht einfach. Zusammen mit zwei weiteren Familie evakuierten wir erneut in die Berge. In den Bergen gab es nichts zu essen und wir aßen fermentierten Sagopalmenfarn. Am meisten haben wir Shiwabuki (Leopardpflanze) gegessen. Das kannten wir schon von früher. Wir hatten noch etwas Schweineschmalz, aber keinen Reis oder irgendetwas anderes. Wir fanden die Haut und die Hufen eines Pferdes und einige Mitglieder unserer Flüchtlingsgruppe kochten sie für uns. Unsere Unterkunft war nur eine einfache Hütte und es regnete immer hinein. Wir reparierten an unserer Hütte herum und führten unser Evakuiertenleben, als mehrere der Älteren von uns, bei der Nahrungssuche von den Amerikanern entdeckt und getötet wurden. Wir beerdigten sie, indem wir sie mit Laub bedeckten.
Mein Vater war bekannt für seine Stärke und Gesundheit. Er musste sich nackt ausziehen und nach einer Körpercheck wurde er gefangengenommen. Das Leben in den Bergen wurde immer schwieriger. In der Hoffnung etwas über unseren Vater zu erfahren, stieg ich zum Dorf am Fuß des Berges herab. Dort wurden mir erstmal einige Sachen gestohlen.
Treffen mit meinem Vater im Arbeitslager
Da waren zwei Schwestern, die im Büro des Arbeitslagers arbeiteten. Sie erzählten mir von einem neuen Evakuierungsort und hatten Informationen über meinen Vater. Im Haus von Herrn Nii’jima im Dorf Kawakami war Platz für uns und sie sagten, dass wir unverzüglich aus den Bergen herunterkommen sollen, Anderseits gab es auch die Warnung, dass wenn man aus den Bergen kam, als Spion verdächtigt werden würde und von den japanischen Soldaten erschossen wird. Aber als wir hörten, dass mein Vater am Leben und gesund im Arbeitslager interniert war, entschieden wir die Berge zu verlassen. Unsere neue Unterkunft war es keine schäbige Hütte, sondern ein richtiges Haus, in das es nicht hinein regnete. Mit Ausnahme meines Vaters, lebten wir hier zu viert. Die Schwestern luden mich ein, jeden Samstag mit ihnen ins Camp zu gehen. Auf diese Weise konnte ich jede Woche meinen Vater treffen.
Er arbeitete in der Küche und gab mir immer etwas zu essen mit. Sie hatten so viele Onigiri Reisbällchen im Camp, dass immer einige übrig blieben. Auch sonnengetrocknetes Miso, Salz und Zucker teilte er mit uns. Ich bekam auch Eiscremepulver und andere Süßigkeiten. Im Vergleich zu dem Leben in den Bergen, war es wie Tag und Nacht. Das Lager war von einem Stacheldraht umgeben und wurde streng bewacht. Deshalb musste ich immer zusammen mit den Schwestern aus dem Büro zum Lager gehen. Dabei sah ich einmal am Wegesrand eine erschossene Person liegen, die noch Zigaretten und Süßigkeiten in der Hand hielt. Sie tat mir leid und als ich das Tuch, mit dem sie bedeckt war anheben wollte, hielten mich die Schwestern davon. Sie sagten, dass die US-Soldaten alles vom Wachturm aus beobachten. Es passierte mehrere Male, dass die Amerikaner jemanden erschossen, der sich ins Lager schleichen wollte.
Ich freute mich immer darauf meinen Vater im Arbeitslager zu treffen. Verglichen mit dem Flüchtlingsleben in den Bergen, ging es mir hier als Kind wirklich gut. So vergingen die Tage vom Juni bis zum Januar des folgenden Jahres. Dann infizierte sich mein Vater mit Malaria. In diesen Tagen wurden jeden Tag Opfer der Malaria mit dem Handwagen zur Beerdigung gekarrt. Auch die Flüchtlinge aus Mittel- und Südokinawa wurden hier beerdigt. Mein Vater wurde wegen seiner Malaria Infektion aus dem Lager entlassen. Um sein Fieber zu senken, nahmen wir kaltes Brunnenwasser und liessen es aus einem kleinen Schöpfeimer auf seine Stirn tröpfeln. Das Fieber war so hoch, dass wir es nicht mal mit einem Fieberthermometer messen konnten. Danach fing er ein zu zittern. Er zitterte so stark, dass selbst zwei Leute, die in festhalten wollten, weggeschleudert wurden. Letztendlich ist mein Vater an dem hohen Fieber verstorben. Nachdem mein Vater gestorben war, sind wir nach Taira zurück gezogen.
Nach dem Tod meines Vaters Rückkehr nach Taira
Zurück in Taira war es sehr anstrengend. Wir wohnten in einer Zelthütte. Das war besonders bei Stürmen schlimm. Das Zelt in dem wir lebten, stand am Eingang zum Pferdestall. In dem Stall waren Flüchtlinge aus Naha und Chatan untergebracht. In Taira gab es ein große Anzahl von Flüchtlingen und in jedem Haus wohnte mehr als eine Familie. Das ständige Suchen nach etwas zu essen, verdrängte sogar die Trauer um meinen Vater.
Meine Mutter brachte wie früher Fisch mit nachhause und stellte Kamaboko her. Sie verkaufte Fisch und arbeite so hart wie möglich um etwas Geld zu verdienen. Um uns Kinder nicht hungern zu lassen, arbeite sie mit all ihrer Kraft. Ich half ihr, wenn wir Bestellungen für Tofu erhielten und drehte den Mixer, um den Fisch für das Kamaboko zu zerkleinern. Nachdem wir etwa zwei Jahre in der Zelthütte gewohnt hatten, mieteten wir uns ein Haus in der Nähe der Haneji Grundschule. Auch dort half ich meiner Mutter weiter bei der Arbeit. Zu den Dorfveranstaltungen erhielten wir immer viele Bestellungen und waren sehr beschäftigt. Auch wenn wir dabei Minus machten, kauften wir Fische in Higashi oder Nago und wir halfen alle gemeinsam beim Tofu und Kamaboko herstellen. Dafür brauchten wir auch Brennholz. Am schulfreien Samstag einmal und am Sonntag zweimal, liefen wir in die Berge, dort wo heute der Haneji Damm ist und sammelten Brennholz. Das war in allen Familien die Aufgabe der Kinder. Für die Tofu Herstellung benötigt man sauberes Meerwasser. „Shio-kumi“ nennt man das Meerwasser schöpfen und es war ebenfalls Aufgabe der Kinder.
Wir konnten nicht ewig zur Miete wohnen und tauschten 100 Tsubo (330qm) unseres besten Ackerlandes gegen 300 Tsubo (930qm) drittklassiges Ackerland. Das wurde zugelassen, weil beide Äcker Reisfelder waren. Dort bauten wir uns ein Haus mit Strohdach. Um noch etwas mehr Geld zu verdienen, fingen wir an Schweine zu halten und füttern sie mit den Resten von der Tofu und Kamaboko Herstellung. Wir begannen mit fünf Schweinen, die wir geschenkt bekamen. Jemand der für die US-Armee in der Wäscherei arbeitete, brachte ein weisses Pulver mit. Auf der Packung stand Backpulver, aber sie enthielt etwas anders. Wir benutzten das Pulver um Sata-andagi (frittierte Teigbälle) zu backen. Aber aus irgendeinem Grund wollte der Teig mit nur einer Prise Pulver nicht aufgehen. Also wurde noch eine zweite oder dritte Peise hinzugefügt. Und hier begann die Tragödie. Denen, die Sata-andagi mit einer Prise Pulver gegessen haben, geht es heut gut. Diejenigen, die den Teig mit zwei Prisen gegessen haben, litten unter Haarausfall. Aber wer denn Teig mit drei Prisen gegessen hatte, starb unverzüglich daran. Diese Leute liegen heute nebeneinander im Grab. Sie starben an „Tempura-Vergiftung“. Derjenige, der in der Wäscherei arbeitet, nahm auch welche mit zur Arbeit auf den Stützpunkt. Und die US-Soldaten, die von den Sata-andagi aßen starben ebenfalls. Bei ihnen wurde eine Tempura Lebensmittelvergiftung festgestellt. Ich denke in dem Päckchen muss anstelle von Backpulver, Insekten- oder Flohpulver gewesen sein. Das wurde dann irrtümlich zum Backen verwendet.
Geburt der Stadt Taira.
Unmittelbar nach Kriegsende wurde ein Personalaufsichtsbüro in Taira eingerichtet. Es war dafür zuständig, die nötigen Arbeiter zu versammeln, und die Arbeiten zu verteilen. wenn es einen Befehl zur Erledigung eines Auftrages für die US-Armee gab Das US-Militär setzte auch eine „CP“ genannte Zivilpolizei ein. Sie beschlagnahmte den Besitz von Leuten die in die Berge evakuieren wollten, um sie von der Evakuierung abzuhalten. Nachdem niemand mehr in die Berge ging erliessen sie eine nächtliche Ausgangssperre. Auf dem Weg zu einem Verwandten wurden wir einmal angehalten und zurückgeschickt, weil es schon Abend war.
Die Polizeistation und das Personalaufsichtsbüro lagen in Taira und das Rathaus wurde in Oyakawa eingerichtet. Im Gebiet von Taira, das als ziviles Internierungslager diente, waren einschliesslich der umgebenden sechs Dörfer, über 60.000 Leute interniert. Vor allem in der Gegend von Haneji und Taira konzentrierte sich die Bevölkerung. Weil es dort Reisfelder und Nahrung gab, zogen die Flüchtlinge aus dem Süden hierher. Später wurden strohgedeckte Häuser gebaut und Leute aus dem Zivillager wohnten in ihnen. Flüchtlinge aus dem Süden waren in leerstehende Häuser eingezogen, sodass die ursprünglichen Bewohner nicht in die Häuser zurück konnten. Sie mussten im Schuppen wohnen oder sich eine andere Bleibe suchen. Die Leute waren nicht in der Lage in ihre eigenen Häuser zurückzukehren. Die Flüchtlinge behaupteten, dass sie die Häuser zusammen mit Lebensmitteln den Amerikanern erhalten hätten. Forderte man sein Eigentum zurück, wurde man bei der CP angezeigt. Ein Hausbesitzer drohte damit, das ganze Haus niederzureißen, wenn sie nicht wenigstens den Raum mit dem Ahnenaltar freimachen. Die Okkupanten räumten das Zimmer und der Hausbesitzer konnte dort wohnen. In Naha und in den mittleren und südlichen Teilen Okinawas waren sämtliche Gebäude im Krieg zerstört worden. Bei ihrer Rückkehr nahmen die Flüchtlinge aus Taira alles mit, was sie tragen konnten. Türen, Fußböden, Möbel und hinterließen eine große Anzahl komplett ausgeräumte Häuser.
Meine Botschaft an die jungen Leute
Unter keinen Umständen darf es wieder Krieg geben. Auch heutzutage gibt es immer noch viele Probleme und in vielen Ländern werden endlose Krieg geführt. Die Kinder sind die unschuldigen Opfer dieser Konflikte. Es darf auf kleinen Fall wieder Krieg geben.
Herr Tokujiro Shimabukuro diente für 33 Jahre im Landwirtschaftlichen Genossenschaftsverband der Präfektur Okinawas. Nach seiner Pensionierung arbeitete er als Beauftragter für die Verkehrssicherheit und diente lange Jahre in seiner Gemeinde. 2017 wurde er vom Amt für Verkehrssicherheit Okinawas ausgezeichnet. Für das „Taira-Shi“,eine schriftliche Aufzeichnung der Geschichte der Gemeinde Taira schuf er das Netzwerk und arbeite als stellvertretender Chefredakteur.