Meine Nachkriegserfahrung: Leben mit einem hungrigen Geist
Frau Michiko Uehara
Geburtsjahr:1935
Geburtsort:Itoman
Evakuierung nach Yanbaru
Ungefähr im Oktober 1944 wurde meinVater zum Verteidigungscorps einberufen. Zu dieser Zeit besuchte ich die dritte Klasse der Volksschule. Wir hatten einen Pferdewagen und zwei Pferde. Ich fuhr auf dem Wagen mit meinem Vater zusammen auf die Felder. Ich sah ihm bei der Arbeit zu und half ihm ab und zu dabei. Das ist mir bis heute in guter Erinnerung geblieben. Danach begannen die Evakuierung Übungen und unser Leben im Luftschutzbunker. Der Bunker war eine Höhle namens „Amansou-Gama“, die sich etwa drei Kilometer entfernt von unserem Wohnort Odo in Itoman befand. Etwa 200 Einwohner unsers Dorfes hatten dort Zuflucht gesucht.
Am 24.März erhielten wir die Nachricht, dass es einen Schlachtschiffbeschuss geben wird und wir noch am selben Tag nach Yanbaru im Norden Okinawas fliehen sollen. Ich kann mich nicht mehr genau erinnern, woher die Anordnung kam. Noch am selben Tag, abends um 9 Uhr machten wir uns zu Fuß auf den Weg nach Yanbaru. Wir nahmen nur mit, was wir auf dem Rücken tragen konnten. Nur durch die Flucht konnten wir unser Leben retten. Wir waren zu siebt auf der Flucht, meine Mutter, wir fünf Kinder und unsere Großmutter mütterlicherseits.
Im Bezirk Onna gab es einen kleinen Berg, in Afuso-Nakama, der als Evakuierungszentrum diente. Auf der Flucht versteckten wir uns tagsüber vor dem Beschuss der Schlachtschiffe. Nach 9 Uhr Abends zogen wir weiter. Wir brauchten vier Tage und drei Nächte. Bei der Ankunft waren meine Füße geschwollen und in einem schlimmen Zustand.
Von der Evakuierung zur Inhaftierung
Dort in Afuso-Nakama wurden wir gefangen genommen. Drei bewaffnete amerikanische Soldaten kamen auf Erkundungstour vorbei. Wir waren zu dieser Zeit in einer Flüchtlingshütte untergebracht. Die Frauen, vor allem die 30, 40 jährigen Mütter waren alle jung und gut aussehend. Es wurde gesagt, dass die Amerikaner alle Frauen vergewaltigen würden. Also beschmierten sie ihr Gesichter mit Ruß, den wir Nabinuhingu nannten und verwirrten ihre Haare, damit sie wie alte Frauen aussahen. Dazu nahmen sie noch die Kinder auf den Arm und den Rücken. Wir Kinder saßen immer im Eingangsbereich der Hütte. Eines Tages kamen die US-Soldaten und richteten ihre Gewehre auf uns. Plötzlich bot uns einer der Soldaten Schokolade an. Die Kinder begannen sofort ein Tuibaago, ein Gerangel um die Schokolade. Die Kinder waren überglücklich, aber aus dem Inneren der Hütte rief jemand: „Da ist Gift drin. Sie verteilen das, um euch zu vergiften. Nicht Essen, nicht Essen!“ Die Kinder erschraken und warfen sofort die ganze Schokolade weg. Einer der Amerikaner, der ein wenig dolmetschen konnte, sagte: „ Es ist in Ordnung“, und aß selber von der Schokolade, um es uns zu zeigen. Sie sagten zu uns, dass es genügend Wasser und Nahrung gäbe und wir uns keine Sorgen machen sollen. Dann verteilten sie wieder Süßigkeiten an die Kinder.
Am nächsten Tag kamen vier oder fünf Soldaten zurück und wir wurden gefangengenommen. Anstelle eines Seil oder Kabels, benutzen sie einen Strick aus Pampasgras. In Abständen von zwei Metern waren Handgranaten an die Stricke gebunden. Uns wurde gesagt, das es gefährlich sei die Handgranaten zu berühren und wir nicht weglaufen sollen. Jemand übernahm die Führung und wir stiegen den Berg herab, zu einem Platz am Fuß des Berges. Wir brauchten etwa eine Stunde, während wir langsam den Berg herunter gingen. Unten angekommen mussten wir uns alle hinsetzen und wurden mit DDT, einem Insektizid in weißer Pulverform besprüht. Die Jungen mussten sich bis zur Taille ausziehen und wurden kopfüber mit DDT besprüht. Die Haare der Mädchen waren mit Läusen übersät und wurden ebenfalls mit DDT desinfiziert. Während wir dort saßen, sammelten sie alle scharfen Gegenstände in unserem Besitz ein. Dann wurden wir auf LKW verladen.
Leben im Internierungslager Ishikawa
Sie brachten uns zum Internierungslager Ishikawa. Das Lager war sehr groß und weitläufig. Es war mit Barasen, Stacheldraht umgeben. In dem Lager standen Zelthütten. Ein Zelthütte war aber nicht nur für eine Familie gedacht. Es gab keine Planen zum ausbreiten und der Boden bestand aus blanker Erde. Solange es nicht regnete, war das kein Problem. In einer der Zelthütten waren zwei bis drei Haushalte untergebracht. Als wir ins Zelt traten, war der Boden so schlammig, dass wir uns nicht hinsetzen konnten. Wir hatten keine Planen oder Decken zum ausbreiten. Wir sammelten Stroh und legten es auf den Boden. So konnten wir erst einmal zur Ruhe kommen.
Es wurde gesagt, wir sollen vom amerikanischen Militär Verpflegung erhalten und so stellten wir uns in einer Reihe an, um unserer Rationen in Empfang zu nehmen. Später erfuhr ich, dass die Rationen die wir erhielten, Feldverpflegung der US-Soldaten war.In den Konservendosen waren die unterschiedlichsten Sachen drin. Milchpulver und sogar Käse. Da wir nichts hatten, um die Dosen zu tragen, nahmen wir soviel wir mit unseren Händen tragen konnten und liefen zurück zum Zelt.
Die Söhne waren ihren Eltern am meisten verpflichtet und die Jungen im Junior High School Alter arbeiteten mit all ihrer Kraft. Sie holten ihre eigenen Rationen ab, brachten sie zu ihren Eltern und Großeltern und stellten sich erneut in der Schlange an, um weitere Rationen zu erhalten. So sorgten sie stellvertretend für ihre Väter für die Familie.
Aus dem Lager zurück in die Heimat
Wir wurden vom Internierungslager in Ishikawa in das Lager in Nashiro, Itoman verlegt. In Ishikawa verbrachten wir ungefähr ein Jahr und in Nashiro ein halbes Jahr. Dann zogen wir nach Komesu, Odo. Mit unserem dritten Umzug kehrten wir wieder in unsere Heimat zurück. In einem Haus lebten drei Haushalte zusammen. Wir bauten sogenannte 2×4 Standardhäuser. Dort wohnten wir mit zwei anderen Familien. Mein Heimatort war vollständig niedergebrannt. Während die ersten ein, zwei Häuser gebaut wurden, warteten wir in Nashiro bis sie fertiggestellt waren. Sobald eines der Häuser fertig war, wurde entschieden welche Gruppe hinein durfte.
In der Nähe unserer Siedlung gab es eine Müllhalde. Wenn das amerikanische MIlitär dort Müll entsorgte, liefen wir hin und sammelten Fetzen von Uniformen, Decken und Fallschirmen auf. Die gefundenen Sachen brachten wir dann als „Kriegsbeute“ nach Hause. Darunter waren auch Konservendosen mit Essenresten. Wenn es noch essbar war, nahmen wir sie auch mit, fügten Gemüse hinzu und aßen es.
Das Schuleben nach dem Krieg
Der Schulunterricht fand in einer schäbigen Hütte aus Wellblech mit Strohdach statt. Es gab keine Schreibtische und keine Tafel. Wir schrieben die Worte des Lehrers einfach auf den Boden. Dann wurde uns eine Wellblechbaracke (Quonset) vom US Militär überlassen. DIe Klassenzimmer hatten ein halbrundförmiges Dach. Es waren aber zu viele Kinder und nicht alle passten in die Klassenzimmer hinein. Also gab die sogenannten „blauer Himmel Klassenzimmer“ Unterricht im Freien unter einem Baum. Wir hatten keine Stühle und suchten uns Dachziegel oder flache Steine zum sitzen. Unser Kunstlehrer lies uns ein Bild von dem Baum unter dem wir saßen zeichnen. So sah unser Unterricht im „blauer Himmel Klassenzimmer“ aus. Einmal erhielten wir mit den Rationen zusammen eine Menge Bleistifte, und die Lehrer verteilten sie an uns. Wir hatten auch kein weißes Papier. Wir schnitten braunes Packpapier zurecht und fertigten uns Schreibhefte daraus.
Später besuchten wir die Miwa MIttelschule. Hier lernte ich zum ersten Mal wieder in einem richtigen Klassenzimmer, aber es gab keine Lehrbücher. Der Musiklehrer hat sich sehr angestrengt uns Musik beizubringen und es gab auch Mal- und Zeichenunterricht. Zu Beginn hatten wir noch keinen Japanisch Unterricht. Aber nach und nach verbesserte sich die Situation und wir erhielten auch Lehrbücher. Schreibhefte wurden ebenfalls zur Verfügung gestellt. Nur wenige Lehrer an der Schule besaßen eine Lehrerlizenz. Der Mathematiklehrer unterrichtete zum Beispiel auch Japanisch und andere Fächer. Während unserer Zeit an der Miwa Mittelschule waren wir immer hungrig und hatten immer nur Süßkartoffeln als Mittagessen.
Einmal hörten wir auf dem Heimweg, dass es beim „Turm der Seelen“ (Konpaku Memorial Tower) eine Menge Tomaten geben soll. Vier oder fünf von uns zogen los und wir fanden wir wirklich reife, lecker aussehende Tomaten. Begeistert stürzten wir uns auf sie und stopften sie in uns hinein. Zwei, drei Tage später erzählte ich meiner Mutter davon. Sie sagte, dass unter den Tomaten drei Leute begraben sind und das ihre Körper den Boden für die Tomaten gedüngt haben. Das jagte mir einen Schrecken ein und ich ging nie wieder dort hin, um Tomaten zu essen. Später hörte ich, dass die Überreste ordentlich ausgegraben und im „Turm der Seelen“ beigesetzt wurden.
Von der Oberschule auf die Universität
Zu dieser Zeit war es undenkbar, dass die Mädchen auf die Oberschule gehen. Ich war das erste Mädchen aus unserem Dorf Odo, das auf die Oberschule gegangen ist. Es gab auch einige Jungen, die auf die Oberschule gingen, aber die meisten arbeiteten auf den Feldern. Die Mädchen arbeiten beim US-Militär oder halfen ihren Familien. Da ich zur Oberschule ging, wurde mir mangelndes Pflichtbewusstsein nachgesagt. Ich war eher klein und nicht kräftig genug für die Feldarbeit.
Damals war Herr Oshiro von der Miwa Mittelschule der zuständige Lehrer für die Schulabgänger. Er ging abends von Dorf zu Dorf und besuchte die Häuser der Schüler der Abschlussklassen. Er versuchte enthusiastisch die Eltern davon zu überzeugen, ihre Kinder auf die Oberschule zu schicken. Da der Lehrer sich so bemühte, sagte meine Mutter: „Du bist sowieso für die Feldarbeit nutzlos, dann kannst du auch weiter zur Schule gehen. Tu was dein Lehrer dir empfiehlt und geh auf die Oberschule“ So ging ich auf die Oberschule, aber die Leute redeten über mich und wie wenig pflichtbewusst ich sei. Ich durchlebte viele Entbehrungen. Auf die Oberschule zu gehen und danach die Universität besuchen, das war wirklicher Luxus. Ich beschloss meine Studiengebühren selber zu verdienen. Ich wusch die Hemden für vier Professoren und reinigte drei Klassenräume. Auf diese Weise war ich in der Lage mich selber zu versorgen.
Von der Graduierung zum Lehrer an der lokalen Schule
Das Lehramtsstudium für weibliche Sportlehrer dauerte zwei Jahre. Wenn Bedarf bestand, konnte man nach den zwei Jahren sofort anfangen zu unterrichten. Ich erhielt unmittelbar eine Anstellung an der Miwa Mittelschule.
Meine Botschaft an die jungen Leute
Wir haben diese schweren Zeiten überlebt. Heute leben wir in gutem Zeiten, aber dafür mussten wir erst die Schwierigkeiten von damals überwinden. Wir wurden „Kanpo-nuke-nukusa“ die Überreste des Bombenteppichs genannt. Wir waren zuerst pessimistisch, aber mit dem Gefühle der Dankbarkeit und mit einem hungrigen Geist, mit dieser Einstellung glaube ich, dass man 100 Jahre alt werden kann. Ich möchte den jungen Leuten sagen, wenn sie ein Leben in immerwährende Wohlstand führen wollen, dann darf es keinen Krieg mehr geben.
Frau Michiko Uehara wurde Mittel- und Oberschullehrerin und widmete sich der Friedensforschung und Aktivtäten des sozialen Lebens. Nach ihrer Pensionierung fuhr sie fort die Geschichte der Schlacht um Okinawa zu erzählen, als Mitglied unseres „Erzählerclubs“.
Evakuierung nach Yanbaru
Ungefähr im Oktober 1944 wurde meinVater zum Verteidigungscorps einberufen. Zu dieser Zeit besuchte ich die dritte Klasse der Volksschule. Wir hatten einen Pferdewagen und zwei Pferde. Ich fuhr auf dem Wagen mit meinem Vater zusammen auf die Felder. Ich sah ihm bei der Arbeit zu und half ihm ab und zu dabei. Das ist mir bis heute in guter Erinnerung geblieben. Danach begannen die Evakuierung Übungen und unser Leben im Luftschutzbunker. Der Bunker war eine Höhle namens „Amansou-Gama“, die sich etwa drei Kilometer entfernt von unserem Wohnort Odo in Itoman befand. Etwa 200 Einwohner unsers Dorfes hatten dort Zuflucht gesucht.
Am 24.März erhielten wir die Nachricht, dass es einen Schlachtschiffbeschuss geben wird und wir noch am selben Tag nach Yanbaru im Norden Okinawas fliehen sollen. Ich kann mich nicht mehr genau erinnern, woher die Anordnung kam. Noch am selben Tag, abends um 9 Uhr machten wir uns zu Fuß auf den Weg nach Yanbaru. Wir nahmen nur mit, was wir auf dem Rücken tragen konnten. Nur durch die Flucht konnten wir unser Leben retten. Wir waren zu siebt auf der Flucht, meine Mutter, wir fünf Kinder und unsere Großmutter mütterlicherseits.
Im Bezirk Onna gab es einen kleinen Berg, in Afuso-Nakama, der als Evakuierungszentrum diente. Auf der Flucht versteckten wir uns tagsüber vor dem Beschuss der Schlachtschiffe. Nach 9 Uhr Abends zogen wir weiter. Wir brauchten vier Tage und drei Nächte. Bei der Ankunft waren meine Füße geschwollen und in einem schlimmen Zustand.
Von der Evakuierung zur Inhaftierung
Dort in Afuso-Nakama wurden wir gefangen genommen. Drei bewaffnete amerikanische Soldaten kamen auf Erkundungstour vorbei. Wir waren zu dieser Zeit in einer Flüchtlingshütte untergebracht. Die Frauen, vor allem die 30, 40 jährigen Mütter waren alle jung und gut aussehend. Es wurde gesagt, dass die Amerikaner alle Frauen vergewaltigen würden. Also beschmierten sie ihr Gesichter mit Ruß, den wir Nabinuhingu nannten und verwirrten ihre Haare, damit sie wie alte Frauen aussahen. Dazu nahmen sie noch die Kinder auf den Arm und den Rücken. Wir Kinder saßen immer im Eingangsbereich der Hütte. Eines Tages kamen die US-Soldaten und richteten ihre Gewehre auf uns. Plötzlich bot uns einer der Soldaten Schokolade an. Die Kinder begannen sofort ein Tuibaago, ein Gerangel um die Schokolade. Die Kinder waren überglücklich, aber aus dem Inneren der Hütte rief jemand: „Da ist Gift drin. Sie verteilen das, um euch zu vergiften. Nicht Essen, nicht Essen!“ Die Kinder erschraken und warfen sofort die ganze Schokolade weg. Einer der Amerikaner, der ein wenig dolmetschen konnte, sagte: „ Es ist in Ordnung“, und aß selber von der Schokolade, um es uns zu zeigen. Sie sagten zu uns, dass es genügend Wasser und Nahrung gäbe und wir uns keine Sorgen machen sollen. Dann verteilten sie wieder Süßigkeiten an die Kinder.
Am nächsten Tag kamen vier oder fünf Soldaten zurück und wir wurden gefangengenommen. Anstelle eines Seil oder Kabels, benutzen sie einen Strick aus Pampasgras. In Abständen von zwei Metern waren Handgranaten an die Stricke gebunden. Uns wurde gesagt, das es gefährlich sei die Handgranaten zu berühren und wir nicht weglaufen sollen. Jemand übernahm die Führung und wir stiegen den Berg herab, zu einem Platz am Fuß des Berges. Wir brauchten etwa eine Stunde, während wir langsam den Berg herunter gingen. Unten angekommen mussten wir uns alle hinsetzen und wurden mit DDT, einem Insektizid in weißer Pulverform besprüht. Die Jungen mussten sich bis zur Taille ausziehen und wurden kopfüber mit DDT besprüht. Die Haare der Mädchen waren mit Läusen übersät und wurden ebenfalls mit DDT desinfiziert. Während wir dort saßen, sammelten sie alle scharfen Gegenstände in unserem Besitz ein. Dann wurden wir auf LKW verladen.
Leben im Internierungslager Ishikawa
Sie brachten uns zum Internierungslager Ishikawa. Das Lager war sehr groß und weitläufig. Es war mit Barasen, Stacheldraht umgeben. In dem Lager standen Zelthütten. Ein Zelthütte war aber nicht nur für eine Familie gedacht. Es gab keine Planen zum ausbreiten und der Boden bestand aus blanker Erde. Solange es nicht regnete, war das kein Problem. In einer der Zelthütten waren zwei bis drei Haushalte untergebracht. Als wir ins Zelt traten, war der Boden so schlammig, dass wir uns nicht hinsetzen konnten. Wir hatten keine Planen oder Decken zum ausbreiten. Wir sammelten Stroh und legten es auf den Boden. So konnten wir erst einmal zur Ruhe kommen.
Es wurde gesagt, wir sollen vom amerikanischen Militär Verpflegung erhalten und so stellten wir uns in einer Reihe an, um unserer Rationen in Empfang zu nehmen. Später erfuhr ich, dass die Rationen die wir erhielten, Feldverpflegung der US-Soldaten war.In den Konservendosen waren die unterschiedlichsten Sachen drin. Milchpulver und sogar Käse. Da wir nichts hatten, um die Dosen zu tragen, nahmen wir soviel wir mit unseren Händen tragen konnten und liefen zurück zum Zelt.
Die Söhne waren ihren Eltern am meisten verpflichtet und die Jungen im Junior High School Alter arbeiteten mit all ihrer Kraft. Sie holten ihre eigenen Rationen ab, brachten sie zu ihren Eltern und Großeltern und stellten sich erneut in der Schlange an, um weitere Rationen zu erhalten. So sorgten sie stellvertretend für ihre Väter für die Familie.
Aus dem Lager zurück in die Heimat
Wir wurden vom Internierungslager in Ishikawa in das Lager in Nashiro, Itoman verlegt. In Ishikawa verbrachten wir ungefähr ein Jahr und in Nashiro ein halbes Jahr. Dann zogen wir nach Komesu, Odo. Mit unserem dritten Umzug kehrten wir wieder in unsere Heimat zurück. In einem Haus lebten drei Haushalte zusammen. Wir bauten sogenannte 2×4 Standardhäuser. Dort wohnten wir mit zwei anderen Familien. Mein Heimatort war vollständig niedergebrannt. Während die ersten ein, zwei Häuser gebaut wurden, warteten wir in Nashiro bis sie fertiggestellt waren. Sobald eines der Häuser fertig war, wurde entschieden welche Gruppe hinein durfte.
In der Nähe unserer Siedlung gab es eine Müllhalde. Wenn das amerikanische MIlitär dort Müll entsorgte, liefen wir hin und sammelten Fetzen von Uniformen, Decken und Fallschirmen auf. Die gefundenen Sachen brachten wir dann als „Kriegsbeute“ nach Hause. Darunter waren auch Konservendosen mit Essenresten. Wenn es noch essbar war, nahmen wir sie auch mit, fügten Gemüse hinzu und aßen es.
Das Schuleben nach dem Krieg
Der Schulunterricht fand in einer schäbigen Hütte aus Wellblech mit Strohdach statt. Es gab keine Schreibtische und keine Tafel. Wir schrieben die Worte des Lehrers einfach auf den Boden. Dann wurde uns eine Wellblechbaracke (Quonset) vom US Militär überlassen. DIe Klassenzimmer hatten ein halbrundförmiges Dach. Es waren aber zu viele Kinder und nicht alle passten in die Klassenzimmer hinein. Also gab die sogenannten „blauer Himmel Klassenzimmer“ Unterricht im Freien unter einem Baum. Wir hatten keine Stühle und suchten uns Dachziegel oder flache Steine zum sitzen. Unser Kunstlehrer lies uns ein Bild von dem Baum unter dem wir saßen zeichnen. So sah unser Unterricht im „blauer Himmel Klassenzimmer“ aus. Einmal erhielten wir mit den Rationen zusammen eine Menge Bleistifte, und die Lehrer verteilten sie an uns. Wir hatten auch kein weißes Papier. Wir schnitten braunes Packpapier zurecht und fertigten uns Schreibhefte daraus.
Später besuchten wir die Miwa MIttelschule. Hier lernte ich zum ersten Mal wieder in einem richtigen Klassenzimmer, aber es gab keine Lehrbücher. Der Musiklehrer hat sich sehr angestrengt uns Musik beizubringen und es gab auch Mal- und Zeichenunterricht. Zu Beginn hatten wir noch keinen Japanisch Unterricht. Aber nach und nach verbesserte sich die Situation und wir erhielten auch Lehrbücher. Schreibhefte wurden ebenfalls zur Verfügung gestellt. Nur wenige Lehrer an der Schule besaßen eine Lehrerlizenz. Der Mathematiklehrer unterrichtete zum Beispiel auch Japanisch und andere Fächer. Während unserer Zeit an der Miwa Mittelschule waren wir immer hungrig und hatten immer nur Süßkartoffeln als Mittagessen.
Einmal hörten wir auf dem Heimweg, dass es beim „Turm der Seelen“ (Konpaku Memorial Tower) eine Menge Tomaten geben soll. Vier oder fünf von uns zogen los und wir fanden wir wirklich reife, lecker aussehende Tomaten. Begeistert stürzten wir uns auf sie und stopften sie in uns hinein. Zwei, drei Tage später erzählte ich meiner Mutter davon. Sie sagte, dass unter den Tomaten drei Leute begraben sind und das ihre Körper den Boden für die Tomaten gedüngt haben. Das jagte mir einen Schrecken ein und ich ging nie wieder dort hin, um Tomaten zu essen. Später hörte ich, dass die Überreste ordentlich ausgegraben und im „Turm der Seelen“ beigesetzt wurden.
Von der Oberschule auf die Universität
Zu dieser Zeit war es undenkbar, dass die Mädchen auf die Oberschule gehen. Ich war das erste Mädchen aus unserem Dorf Odo, das auf die Oberschule gegangen ist. Es gab auch einige Jungen, die auf die Oberschule gingen, aber die meisten arbeiteten auf den Feldern. Die Mädchen arbeiten beim US-Militär oder halfen ihren Familien. Da ich zur Oberschule ging, wurde mir mangelndes Pflichtbewusstsein nachgesagt. Ich war eher klein und nicht kräftig genug für die Feldarbeit.
Damals war Herr Oshiro von der Miwa Mittelschule der zuständige Lehrer für die Schulabgänger. Er ging abends von Dorf zu Dorf und besuchte die Häuser der Schüler der Abschlussklassen. Er versuchte enthusiastisch die Eltern davon zu überzeugen, ihre Kinder auf die Oberschule zu schicken. Da der Lehrer sich so bemühte, sagte meine Mutter: „Du bist sowieso für die Feldarbeit nutzlos, dann kannst du auch weiter zur Schule gehen. Tu was dein Lehrer dir empfiehlt und geh auf die Oberschule“ So ging ich auf die Oberschule, aber die Leute redeten über mich und wie wenig pflichtbewusst ich sei. Ich durchlebte viele Entbehrungen. Auf die Oberschule zu gehen und danach die Universität besuchen, das war wirklicher Luxus. Ich beschloss meine Studiengebühren selber zu verdienen. Ich wusch die Hemden für vier Professoren und reinigte drei Klassenräume. Auf diese Weise war ich in der Lage mich selber zu versorgen.
Von der Graduierung zum Lehrer an der lokalen Schule
Das Lehramtsstudium für weibliche Sportlehrer dauerte zwei Jahre. Wenn Bedarf bestand, konnte man nach den zwei Jahren sofort anfangen zu unterrichten. Ich erhielt unmittelbar eine Anstellung an der Miwa Mittelschule.
Meine Botschaft an die jungen Leute
Wir haben diese schweren Zeiten überlebt. Heute leben wir in gutem Zeiten, aber dafür mussten wir erst die Schwierigkeiten von damals überwinden. Wir wurden „Kanpo-nuke-nukusa“ die Überreste des Bombenteppichs genannt. Wir waren zuerst pessimistisch, aber mit dem Gefühle der Dankbarkeit und mit einem hungrigen Geist, mit dieser Einstellung glaube ich, dass man 100 Jahre alt werden kann. Ich möchte den jungen Leuten sagen, wenn sie ein Leben in immerwährende Wohlstand führen wollen, dann darf es keinen Krieg mehr geben.
Frau Michiko Uehara wurde Mittel- und Oberschullehrerin und widmete sich der Friedensforschung und Aktivtäten des sozialen Lebens. Nach ihrer Pensionierung fuhr sie fort die Geschichte der Schlacht um Okinawa zu erzählen, als Mitglied unseres „Erzählerclubs“.