LANGUAGE

LANGUAGE

Aussiedlung nach Taiwan

Aussiedlung nach Taiwan
Tōru Ishimine (84)
(aus Irabu-Nagahama, Miyako-gun, Okinawa-ken)

Vor dem Krieg bin ich noch in einer japanischen Volksschule in die fünfte Klasse gegangen, aber meine Familie ist in die japanische Kolonie Taiwan ausgewandert, als der Krieg ausbrach.
Mit dem Schiff gelangten wir via der Insel Ishigaki zum Hafen Keelung [Kīrun] in Taiwan. Mit der Dampflok reisten wir in die Stadt Guishan Landkreis Taoyuan [Tōen], wo wir uns auf unser Leben in der Fremde einstellten. Wir wohnten in einem großen Haus mit Bambusboden und Schilfdach.
In der Nachbarschaft gab es eine Teefabrik, die allerdings von der japanischen Besatzungsmacht als Unterkunft genutzt wurde.
Die Soldaten waren sehr gesprächig und haben mich und meine Familie hin und wieder eingeladen, wenn sie ein großes Essen veranstaltet haben.
In der Schule war ich mit den taiwanesischen Schülern in derselben Klasse und unser Lehrer betreute die erste bis fünfte Klasse ganz alleine.

Eines Tages, wir aßen gerade alle draußen zu Mittag, kam ein Postbote vorbei und überreichte uns ein Telegramm. Ich erinnere mich noch genau daran, wie meine Mutter und meine Großmutter anfingen zu weinen. Das muss der Einberufungsbefehl meines Vaters gewesen sein.
(Was geschah danach mit Ihrem Vater?)
Er zog in den Krieg, kam aber zwischenzeitlich einmal zurück. Das soll so um die Zeit gewesen sein, als mein jüngerer Bruder auf die Welt kam. Danach ging er wieder zurück an die Front, wo er schließlich auch starb.
Meine Mutter erzählte mir, dass er auf dem Schlachtfeld einen Arm verloren haben soll, ich weiß aber nicht mehr welchen. Der Feldarzt meinte wohl, dass er nach Hause gehen soll, aber mein Vater wollte nicht. “Was soll ich mit nur einem Arm? Ich bleibe hier und kämpfe bis zuletzt für mein Vaterland”, soll er gesagt – und dann anscheinend auch getan haben.
(Nach Kriegsende)
Für unsere Rückkehr nach Japan nahmen wir einen Güterzug von der Präfektur Shinchiku an die gegenüberliegende Küste der Insel, zum Hafen Su’ao [Su’ō]. Dort verbrachten wir Drei eine Nacht unter freiem Himmel, an eine nackte Betonwand gekuschelt. Am nächsten Tag konnten wir an Bord des Repatriierungsschiffes “Ume-maru” gehen und nach Japan zurückkehren.
Das Leben nach dem Krieg, zurück in der Heimat, war sehr schwierig. Es gab zu wenig Essen für alle, und es war ein täglicher Kampf.
(Rückblickend gesehen)
Ich wünsche mir, dass so ein Krieg kein zweites Mal geschieht. Das Elend, das durch den Krieg verursacht wird, sollte kein Mensch erleiden müssen.
Wir hatten im Krieg einen sogenannten „Abzählreim“. Er hatte insgesamt 15 Reime und den neunten Reim mag ich besonders gerne: „Kore shinu no wa itowanu kedo, ato ni nokosareru saishi wa ikani kurashite iku no deshō ka.“, was so viel bedeutet wie: „Ob ich hier sterbe oder nicht, liegt nicht in meiner Hand, aber was geschieht mit Frau und Kind, wenn ich nicht mehr da bin?“. Dieser Reim erzählt davon, wie die Soldaten auch auf dem Schlachtfeld immer an ihre Familien dachten und niemals aufgegeben haben, bis zum bitteren Ende. Und wenn ich so daran denke, wie die Soldaten mit ihren Gedanken bei ihren Liebsten waren, als sie auf dem Schlachtfeld gestorben sind, dann kommen mir unwillkürlich die Tränen.